Samstag, 24. Mai 2008

Halévys CLARI in Zürich


Cecilia Bartoli glänzt zusammen mit einem hochkarätigen Ensemble in einer vor Witz nur so sprühenden Aufführung, schlichtweg grandios!

Premiere: 23. Mai 2008

Oper in 3 Akten
Musik: Jacques Fromental Halévy
Libretto: Pietro Giannone
Uraufführung: 9. Dezember 1828, Théâtre-Italien, Paris
Aufführungen in Zürich: 25.5. 27.5. 29.5. 31.5.08

Kritik:
Wie ein funkelnder Diamant strahlt Cecilia Bartolis Stimme von der Bühne in den ausverkauften Zuschauersaal des Opernhauses. Umgeben von einem nicht minder hochkarätigen Ensemble erweckt sie Halévys Oper CLARI nach 180 Jahren dem Dornröschenschlaf. Und wie sie das tut ist schlichtweg atemberaubend: Die schwierigen Koloraturen perlen rein und zart, die Stimme meistert die beinahe drei Oktaven umfassende Tessitura mühelos, verströmt dabei wunderbar samtig weichen Wohlklang, berührende Piani, makelloses messa di voce, aber auch emotionsgeladene Wut- und Verzweiflungsausbrüche, Herzensschmerz und überschwängliche Freude. In den beiden eingeschobenen Arien und Kavatinen aus Rossinis OTELLO und Halévys TEMPESTA kann Frau Bartoli zusätzlich aus dem Vollen schöpfen und brillieren. Dazu gesellen sich ihre Spielfreude und die ausdrucksstarke Mimik, so dass ein rundum gelungenes, überzeugendes Rollenporträt dieses naiven Bauernmädchens Clari entsteht, das sich – in dieser Inszenierung – über Internet in einen reichen Kunstmäzen verliebt, diesen auch trifft, während einer Theateraufführung seiner Bediensteten (HAMLET lässt grüssen … )jedoch von Selbszweifeln und Gewissensbissen geplagt wird, vor versammelter Schickeria ausflippt und so den Zorn des Mäzens auf sich zieht. Nach kurzem Spitalaufenthalt kehrt sie beschämt zurück auf den Schweinemasthof ihrer Eltern und versucht den dem Selbstmord nahen Vater um Vergebung zu bitten. Doch da taucht der reiche Mäzen, der sich unterdessen seiner Liebe zu Clari bewusst geworden ist, in seinem Lexus Offroader wieder auf, überreicht dem entehrten Papa einen Geldkoffer, und somit steht dem Happy End auf der Kuhweide nichts mehr entgegen.
Diese amüsante, zwischen Foto-, Groschen- und Barbara-Cartland-Roman schwankende Inszenierung voller Pep verdankt man dem Regieduo Moshe Leiser/Patrice Caurier, die erstmals (und hoffentlich nicht letztmals) an der Zürcher Oper tätig waren. Im detailgetreuen Bühnenbild (Christian Fenouillat), das zwischen Kunsthalle mit knallroter King Kong Plastik, Krankenhaus und Bauernküche mit Schinken und niedlichem Schweinchen wechselt und mit den grell-schrägen, wunderbaren Kostümen von Agostino Cavalca entwickelt sich eine augenzwinkernde Aufführung voller Humor.
Selbstverständlich ist es ein Rollendebüt für alle Beteiligten: Der amerikanische Tenor John Osborn singt den Duca mit geschmeidiger, angenehm timbrierter Stimme, sehr stilsicher meistert er seine Arien und Ensembles und begeistert im dritten Akt mit einem fulminanten Spitzenton. Oliver Widmer, Giuseppe Scorsin und vor allem Eva Liebau, mit ihrer wunderschön gesungenen Canzonetta im zweiten Akt, überzeugen als Dienerschaft und Schauspieltruppe, Carlos Chausson ist ein wunderbar polternder Bauer, voller Selbstmitleid, seine dem Schnapsfläschchen nicht abgeneigte, resolute Gattin wird von Stefania Kaluza nicht minder überzeugend dargestellt. Ihr hätte Halévy durchaus auch noch eine Arie schenken dürfen.
Dass auf Originalinstrumenten gespielt wird, kommt allen Sängerinnen und Sängern sehr entgegen, niemand wird zum Forcieren gezwungen, die Diktion ist vorbildlich. Adam Fischer leitet das grossartig spielende Orchestra „La Scintilla“ der Oper Zürich und den von Jürg Hämmerli wie stets präzise einstudierten Chor mit Schwung und sprühendem Charme.
Leider sind trotz des ungeheuren Aufwands und des Riesenerfolgs anlässlich der Premiere nur fünf Vorstellungen angesetzt und für die nächste Spielzeit ist keine Wiederaufnahme geplant.

Fazit:
Eine rundum geglückte Aufführung, sollte man sich auf keinen Fall entgehen lassen!

Werk:
Trotz eines Achtungserfolgs nach der Uraufführung 1828, nicht zuletzt dank Maria Malibran in der Titelpartie, konnte sich das Werk nicht durchsetzen und verschwand nach wenigen Aufführungen vom Spielplan. Cecilia Bartoli hat die Partitur in Paris aufgestöbert und zusammen mit dem Musikologen Martin Heimgartner eine kritische Fassung erstellt. Diese erklingt nun erstmals nach 180 Jahren wieder in einem Opernhaus.

Inhalt:
Bauernmädchen liebt Herzog, hat aber Gewissensbisse, weil sie ihre Eltern damit entehrt hat, Herzog versteht Qualen des Mädchens nicht, Mädchen wird vom Herzog verstossen, ist verzweifelt, kehrt zu den Eltern zurück. Vater verwindet die Schande der Tochter nicht. Herzog liebt Bauernmädchen doch, sucht und findet sie. Heirat. Happy End.

Musikalische Höhepunkte:
O d’ogni mia, Auftrittsarie des Duca, Akt I (Osborne)
Come dolce a me favelli, Cavatina der Clari, Akt I (Bartoli)
Finale Akt I
Chi vuol vedere, Canzonetta der Bettina, Akt II (Liebau)
Assisa a piè d’un salice, Arie der Desdemona aus Rossinis OTELLO, Akt II (Bartoli)
Se pietosa, Arie des Duca, Akt III (Osborn)
Parmi una voce, Arie der Miranda aus Halévys LA TEMPESTA, Akt III (Bartoli)



Sonntag, 18. Mai 2008

Staatsoper Stuttgart: LE COMTE ORY

Le Comte Ory

Staatsoper Stuttagart

Perlende Koloraturen auf glitzernder Bühne - die Aufführung von Rossinis Spätwerk in Stuttgart garantiert Amüsement!

Premiere: 17. Mai 2008

Oper in zwei Akten
Musik: Gioachino Rossini
Libretto: Eugène Scribe und Charles-Gaspard Delestre-Poirson
Uraufführung: 20. August 1828 in Paris
Termine in Stuttgart: 24.05. | 15.06. | 19.06. | 23.06. | 04.07. | 18.07. | 23.07.08

Kritik:
Die kluge Programmgestaltung der Staatsoper Stuttgart zum Schwerpunkt GROSSE FRANZÖSISCHE OPER findet mit Rossinis selten gespieltem Werk einen fulminanten und hoffentlich nur vorläufigen Abschluss. Nach den TROJANERN von Rossinis Intimfeind Berlioz und Halévys JÜDIN (noch zu erleben am 18.05. | 31.05. | 08.06. | 21.06. | 05.07. | 20.07.) nun Rossinis dritte für Paris komponierte Oper. Der Kreis schliesst sich: Berlioz, der sonst nur Verachtung für Rossini übrig hatte, schätzte insbesondere das exquisite Terzett des zweiten Aktes und bezeichnete es als perfekte Musik, die Protagonisten der Uraufführung von COMTE ORY hoben sieben Jahre später die JÜDIN aus der Taufe.
Regisseur und Bühnenbildner Igor Bauersima (bekannt als Theaterautor, z. B. LUCIE DE BEAUNE für das Schauspielhaus Zürich) bot dem Publikum einen äusserst amüsanten und witzigen Opernabend, assistiert von der Kostümbildnerin Johanna Lakner und dem Video-Designer Georg Lendorff. Da Rossini und seine Librettisten in den beiden Akten eigentlich zweimal dieselbe Geschichte erzählen, spaltete das Inszenierungsteam das Geschehen in zwei Sichtweisen auf, auf eine von aussen und auf eine von innen. Im ersten Akt befinden wir uns auf einem Rummelplatz, Graf Ory ist der Guru (Eremit), der Betrüger, der die noch so gerne Verführbaren verführt, ganz Materialist. Im zweiten Akt ist er der Mystiker (die Nonne), der an die christliche Nächstenliebe appelliert. Marx’ Das Kapital gegen die Bibel, ein Gedanke, der sich auch im als abgegriffenes rotes Büchlein hervorragend gestalteten Programmheft spiegelt. Dieses Konzept funktioniert vor allem im zweiten Akt bestens. Da helfen die dankbaren Travestien (wollüstige Saufkumpanen als Nonnen verkleidet) natürlich mit. Wir befinden uns nun im Wellnessbereich von Adeles Villa, mit Pool (der hellblau ausgeschlagene Orchestergraben), allerlei technischem Schnickschnack und einer Gruppe verwöhnter Damen, die sich mit den Tücken der Technik, in diesem Fall der Fernbedienung, herumschlagen. Umwerfend komisch! Die nur scheinbar zufällig auf die glitzernden Lamettavorhänge projizierten Bilder (z. B. Leda und der Schwan, als sich Ory verkleidet als Schwester Colette, der Gräfin näherte) boten dem Publikum auch amüsante Bilderrätsel. Einzig im ersten Akt wechselten die Projektionen um das Bühnenportal herum etwas gar häufig, was zusammen mit den silbern und golden gleissenden Lamettavorhängen der Jahrmarktsbuden doch zunehmend die Augen ermüdete. Weniger wäre hier wohl mehr gewesen. Das sich drehende Karussell zum genialen Finale des ersten Aktes hingegen erwies sich als sehr stimmiger Einfall. Dazu die Armada der erzürnten Damen, die sich auf die betrügerische Bande des Grafen Ory stürzten und sich selbst von der weissen Fahne, mit welcher Karl Marx (Orys Erzieher, dargestellt und sehr gut gesungen von Matias Tosi) wedelte, nicht schrecken liessen.
Der Regisseur konnte sich auf ein junges, spielfreudiges und Koloratur gewandtes Ensemble verlassen. Der junge Tenor Angelo Scardina begeisterte nach anfänglicher Nervosität mit präziser Stimmführung und fulminanten Spitzentönen, die Rossini in fieser Häufigkeit und auch über dem hohen C liegend, in die Partitur gesetzt hatte. Als schleimig lasziver Eremit überzeugte er ebenso wie als lüsterne Schwester Colette. Ina Kancheva glänzte mit perlenden Koloraturen als Gräfin Adele, Tina Hörhold war der wendige Page Isolier mit warm klingender Mezzosopranstimme; Ezgi Kutlu holte aus der Vertrauten Ragonde musikalisch und darstellerisch alles heraus und wurde zu Recht mit grossem Applaus bedacht. Der Bassist Adam Kim als Gefährte Orys hatte seinen grossen Auftritt mit dem männlichen Nonnenchor im Weinkeller und meisterte diesen ganz hervorragend.
Das Staatsorchester Stuttgart unter der Leitung des Katalanen Enrique Mazzola bescherte uns einen beschwingten, heiteren Rossini mit delikaten Farbtupfern, wohl gesetzten Accelerandi und sauberen Pizzicati.
Doch ganz so heiter entlässt der Regisseur die Zuschauer nicht: Als befreiende Trompetensignale die Rückkehr der Kreuzritter (Ehemänner) ankündigen und Ory sich schnell und gedemütigt davonschleichen muss, werden die Glitzervorhänge zurückgezogen und kaltes Licht und unheimliche Nebelschwaden dringen ins heitere Ambiente. Die freudig erwartete Rückkehr der Männer erweist sich jedoch als falsche Hoffnung, die Typen in ihren verschmutzten Anzügen sind kaputt, ver- und zerstört von den Grauen des Krieges.

Fazit:
Ein hervorragendes, junges Ensemble in einer amüsant und doch tiefgründig inszenierten Komödie. Empfehlenswert.

Das Werk:
Rossini (wie auch Händel) war ein Meister im Recyclieren eigener Musik. Grosse Teile des COMTE ORY entnahm er seiner Festtoper IL VIAGGIO A REIMS. Für den zweiten Akt allerdings komponierte er viele Nummern neu, und die gehören zu seinen schönsten Einfällen.
Raffinierte Orchestrierung und subtile Ironie prägen die Partitur.

Inhalt:
Der wollüstige Graf Ory will von der kriegsbedingten Abwesenheit vieler Ehemänner im Land profitieren, verkleidet sich als Eremit und als Nonne, um sich so an die Frauen, welche ein Keuschheitsgelübde abgelegt haben, heran zumachen, wird aber immer wieder enttarnt und muss schliesslich von dannen ziehen, ohne zum Ziel gelangt zu sein.

Musikalische Höhepunkte:
Kavatine der Adele: En proie de la tristesse, Akt I
Finale Akt I
Trinkgelage der vermeintlichen Nonnen, das in religiöse Gesänge umschlägt, Akt II
Terzett Ory, Isolier, Adele: À la faveur de cette nuit obscure, Akt II

Dienstag, 13. Mai 2008

Bielefeld: Erwin, das Naturtalent


Eine äusserst witzige Oper, für die ganze Familie. Spannend, unterhaltsam, witzig und ironisch. Das spielfreudige Ensemble, die effektvolle Regie, die mit sparsamen Mitteln sehr poetische Bilder hevorzaubern konnte und eine eingängige, rhythmisch geprägte Musik (Mike Svoboda) bescheren einen interessanten Opernabend für Gross und Klein. Lohnenswert. So macht auch zeitgenössisches Musitheater Spass.

Montag, 5. Mai 2008

Die Bitteren Tränen der Petra von Kant in Basel

Basel: Die Bitteren Tränen der Petra von Kant

Die Bitteren Tränen der Petra von Kant

Theater Basel

Deutschsprachige Erstaufführung, berührendes mitreissendes Musiktheater, grossartige Interpretinnen auf der Bühne. Unbedingt empfehlenswert!

Premiere: 4. Mai 2008

Musik: Gerald Barry
Text: nach Rainer Werner Fassbinder
Uraufführung: 16. September 2005, English National Opera, London
Aufführungen in Basel: 4. Mai | 9. Mai | 13. Mai | 15. Mai | 19. Mai | 24. Mai | 28. Mai |6. Juni | 11. Juni 2008

Kritik:
Nein, ein wohliges, geniesserisches Zurücklehnen war nicht möglich an diesem spannenden, aufwühlenden Opernabend im Theater Basel. Die Ohren, das Herz, das Gemüt und die Augen wurden ständig gefordert, standen unter Hochspannung, genau wie die Protagonistin, Petra von Kant.
Da ist zuerst einmal die farbige Musik des Komponisten Gerald Barry, die mit ihren ostinaten Rhythmen, ihrer grellen, von den Bläsern dominierten Tonsprache und ihrer an der Sprache angelehnten, oft ins Hysterische abgleitenden Gesangslinien das Ohr bis zur Schmerzgrenze fordert. Andererseits transportiert diese Musik einen überaus klugen Text, konterkariert und untermalt ihn, deckt Lügen und Doppelbödigkeiten auf und verhilft so der musikalischen Umsetzung der grossartigen Vorlage von Rainer Werner Fassbinder zu ihrer Berechtigung. Genau dies ist die Aufgabe des Musiktheaters, wenn es sich literarischer Textvorlagen annimmt und Barry meistert sie mit geradezu animalischem Instinkt. Er sagt selber, dass er aus dem Bauch heraus komponiert und keinen intellektuellen oder mathematischen Überbau benutzt. Das spürt man beinahe aus jeder Note. Auf Dauer wirkt diese laute, rhythmische Musik vielleicht für manche etwas ermüdend, doch entwickelt sie zugleich auch einen mitreissenden Sog. Erst als Petra von Kant nach ihrem Selbstmordversuch zur Selbsterkenntnis und zum vorübergehenden inneren Frieden findet, bevor sie sich wieder auf ihr ständig anwesendes Opfer Marlene stürzt, berührt auch Barry den Hörer mit zarteren Kantilenen der Holzbläser.
Das Sinfonieorchester Basel unter der Leitung des jungen Dirigenten Anton de Ridder meistert die Partitur ganz hervorragend, vom prägnanten Beginn, über das Unheil verkündende Donnergrollen, welches den ersten Kuss zwischen Petra und Karin untermalt, zu den musikalisch hoch interessanten Aktübergängen.
Das detailgetreue Bühnenbild (Ultz), welches die Atmosphäre der 70er Jahre so liebevoll auferstehen liess, und die exakte Personenzeichnung durch Regisseur Richard Jones begeisterten das Premierenpublikum zu Recht.
Die Goldene Palme des Abends jedoch gebührt der Darstellerin der immensen Titelpartie, der Kanadierin Rayanne Dupuis. Wie sie die Petra bis zur Selbstentblössung darstellte und dazu diese Tour de force auch musikalisch grandios meisterte, war schlicht atemberaubend. In Anbetracht der Tatsache, dass ihr nur zehn Tage Probenzeit vergönnt war, ist diese Leistung nicht hoch genug einzuschätzen. Bleibt zu hoffen, dass man die junge Sängerin nach diesem gewaltigen Schweizer Debüt noch öfter auf hiesigen Bühnen bewundern können wird. Doch auch die anderen Partien in diesem reinen Frauenstück waren allesamt hervorragend besetzt. Agata Wilewska als junge, lebenslustige und sowohl naiv-dümmliche als auch durchtriebene Karin konnte gleich zu Beginn mit der Erzählung vom Tod ihrer Eltern beeindrucken: Die Musik und die Stimme schraubten sich in schmerzvoller Art und Weise spiralförmig in schwindelerregende Höhen. Rita Ahonen als vornehm schadenfreudige Sidonie von Grasenabb überzeugte ebenso wie Eva Gilhofer als Mutter Valerie von Kant. Petras Tochter Gabriele wurde von Heike Heilmann mit wunderbar sauberen Spitzentönen und Staccati sowie intensivem Spiel ausgestattet. Linda Kitchen verlieh mit ungeheurer Bühnenpräsenz der stummen Rolle der ständig anwesenden Privatsekretärin Marlene eine ergreifende Tiefe. Ihr stummer Schrei am Ende der Oper rief wohl nicht nur beim Rezensenten Gänsehaut hervor. Berührend dann der Moment auf der Premierenfeier, als sich die Marlene der Oper und die Ur-Marlene aus dem Film von Rainer Werner Fassbinder, Irm Hermann, umarmten.

Fazit:
Zeitgenössisches Musiktheater auf höchstem Niveau, mitreissend, berührend, aber auch witzig und komisch. Hervorragende Umsetzung der literarisch-filmischen Vorlage R.W. Fassbinders durch den Komponisten und das Inszenierungsteam. Überragende Rayanne Dupuis in der Titelrolle.

Inhalt:
Petra von Kant ist eine erfolgreiche Modedesignerin. Doch ihr Leben ist geprägt von Einsamkeit und Langeweile. Da lernt sie die junge Karin kennen und verliebt sich in sie. Karin wird zu ihrer neuen Aufgabe. Sie verhilft dem Mädchen zu einer Karriere als Modell. Selbstbewusst geniesst Karin ihre Erfolge und weidet sich an Petras Eifersucht. Petra ertränkt ihre Ängste zusehends in Alkohol. So wie Karin ihre Langeweile. Als Karin Petra verlässt und zu ihrem Ehemann zurückkehrt, bricht Petra zusammen. Erst spät erkennt sie, dass ihre Liebe vor allem Besitzsucht war.

Werk:
Der Ire Gerald Barry hat diese Oper 2005 nach Rainer Werner Fassbinders 1971 uraufgeführtem und 1972 verfilmten gleichnamigen Theaterstück komponiert. Die Inszenierung der Uraufführung (eine Koproduktion mit der English National Opera, London) ist nun in Basel zu sehen.

Sonntag, 4. Mai 2008

Semele in Zürich


SEMELE bietet eine überzeugende Fortsetzung der grossartigen Zürcher Händel-Aufführungen, ein erotisch knisterndes Liebespaar (Bartoli / Workman) und eine witzig-satirische Inszenierung der tragischen Geschichte. Unbedingt sehens- und hörenswert.

Premiere: 14. Januar 2007

Opernhaus Zürich, 14.1.2007, Semele, Oper in der Art eines Oratoriums, Musik: Georg Friedrich Händel, Libretto vom William Congreve, Uraufführung: 10. Februar 1744 in London, Aufführungen in Zürich vom 14.1. – 8.2.2007

Kritik: (SK) Ist es Zufall oder langfristige, kluge Spielplangestaltung? In „Ariadne auf Naxos“ begegneten wir dem Halbgott BACCHUS in der Zürcher Kronenhalle, nun dürfen wir am traurigen Schicksal seiner Mutter SEMELE am (gegenwärtigen) englischen Königshof teilhaben. Dort nämlich siedelt Regisseur Robert Carsen die tragische Geschichte der thebanischen Königstochter an. Hier treffen wir auf den König (Jupiter) und seine Gemahlin, die Hüterin der Ehe und der Moral (Juno).
Die Verlegung der Handlung aus der mythischen Vergangenheit in die Gegenwart macht durchaus Sinn: Eine naive, etwas eitle, junge Frau (Semele) wird vom König verführt und fühlt sich dadurch zu Höherem berufen. Sie will sozial aufsteigen, doch ist sie den höfischen Intrigen nicht gewachsen und verbrennt förmlich im Krönungsmantel vor dem strahlenden Thron.

Das Konzept von Robert Carsen überzeugt vor allem auch durch die genaue Personenführung und die fantastische Ausstattung (Patrick Kinmoth): Juno scheint der „Queen“ wie aus dem Gesicht geschnitten. Frisur, Accessoirs und Kostüme sind äusserst genau getroffen; unvergesslich, wie sie sich mit Regenmantel, Kopftuch und grünen Gummistiefeln ausgestattet – ähnlich wie Elisabeth II. im Urlaub auf Schloss Balmoral – auf die Suche nach Somnus macht. Die Altistin Birgit Remmert spielt und singt die eifersüchtige, auf Rache sinnende Juno aufs Vortrefflichste, sowohl mit Lockenwicklern und Pantoffeln
als auch in der Staatsrobe.
Immer tritt sie in Begleitung ihrer Vertrauten Iris auf – im strengen Deuxpièces und mit umwerfender Komik agierend Isabel Rey.
Cecilia Bartoli (Semele) war natürlich als Star des Abends angekündigt, und man war auf ihr Rollendebüt gespannt. Im ersten Akt wirkte sie noch eher verhalten, ihre sowieso nicht sehr grosse Stimmeoffenbarte eine recht dünne, wenig durchschlagskräftige Höhe, sie flüchtete sich oft in ein manieriert gehauchtes Piano. Doch welch eine Verwandlung nach der Liebesnacht mit Jupiter (Charles Workman)! Plötzlich strömte ihre Stimme freier und die Koloraturen perlten glitzernd durch den Raum. Ihre Spiegelarie „Myself I shall adore“ geriet zu einem wahren Kabinettsstück in Gesang und Darstellung.
Kein Wunder lief Bartoli nach der Nacht mit Jupiter zu solcher Hochform auf: Charles Workman ist eine Traumbesetzung, ein in Erscheinung und Stimme hocherotischer, unwiderstehlicher Verführer und ein subtiler, wunderschön gestaltender Tenor, der mit einer zugleich männlich und samtweich klingenden Stimme ausgestattet ist.
Die kleineren Partien waren mit der sehr gepflegt singenden Liliana Nikiteanu (Semeles Schwester Ino), mit Anton Scharinger (Cadmus / Somnus) und dem hellen, klaren Tenor von Thomas Michael Allen (Athamas) überzeugend besetzt.
Händels zwischen Oper und Oratorium schwankendes Werk erklang unter der souveränen Leitung des Spezialisten William Christie sehr lebendig und kurzweilig. Dazu trugen sowohl das wie stets sehr gekonnt auf alten Instrumenten spielende Orchester „La Scintilla“(Ada Pesch als Konzertmeisterin, Claudius Herrmann, Violoncello und der sehr agil spielende Jory Vinikour am Cembalo seien besonders hervorgehoben) als auch der kraftvoll singende und agierende Chor des Opernhauses bei. In dieser Aufführung ist der Chor für einmal nicht nur kommentierend, sondern auch handelnd. Dies reicht vom Verteilen der Boulevardzeitungen nach Semeles geplatzter Hochzeit bis zum Trauern um die gefallene Prinzessin. Zusammen mit seinem Lichtdesigner schafft der Regisseur auch in diesen Szenen beklemmende, eindrückliche (Schatten)Bilder.

Fazit: Überzeugende Fortsetzung der grossartigen Zürcher Händel-Aufführungen, ein erotisch knisterndes Liebespaar (Bartoli / Workman) und eine witzig-satirische Inszenierung der tragischen Geschichte. Unbedingt sehens- und hörenswert.

Synopsis: Semele, die Tochter des Königs von Theben, soll sich mit Athamas, dem Prinzen von Böothien verheiraten. Sie widersetzt sich jedoch zum Erstaunen und zur Beunruhigung des Vaters und des Bräutigams der Hochzeit. Nur ihre Schwester Ino freut sich, da sie selbst den Prinzen liebt. Semele hingegen ist der erotischen Verführung des Göttervaters Jupiter ganz verfallen. Von diesem (in Gestalt eines Adlers) wird Semele in einen von Drachen bewachten Palast entführt, wo sich die beiden ihr Liebesnest einrichten. Gar nicht begeistert von diesen Vorgängen zeigt sich die Göttergemahlin Juno. Sie sinnt auf Rache und beginnt ein grausames Intrigenspiel. Dazu nutzt sie sowohl die Künste des Schlafgottes Somnus als auch Semeles Naivität und Eitelkeit. Diese verlangt nämlich von Jupiter, dass er vor ihr in seiner wahren göttlichen Gestalt erscheine, um sie ebenfalls unsterblich zu machen. Doch die Erscheinung des blitz- und donnerbewehrten Gottes ist zu stark für sie und Semele verbrennt. Juno triumphiert. Doch der Spross aus Jupiters Beziehung zu Semele – das Kind Bacchus – wird vom Göttervater gerettet und soll fortan den Menschen Genuss und Liebe bringen.

Musikalische Höhepunkte: Die reich verzierten da capo – Arien der Semele im dritten Akt „Myself I shall adore“ und „No, no! I?ll take no less“, die Arie der Juno im zweiten Akt „Hence, Iris, hence away“, Jupiters Arie „Where?er you walk”

Le Nozze di Figaro in Zürich


Dem Zürcher Opernpublikum wird in dieser Spielzeit etwas gar viel Mozart aufgetischt, nach „Finta semplice“ und „Zauberflöte“ folgt die Neuinszenierung der „Nozze di Figaro“, Die Neuinszenierung bietet kaum neue Erkenntnisse. Bis 22.6.07

Premiere: 11. März 2007

Opera buffa in vier Akten
Musik: Wolfgang Amadeus Mozart
Libretto : Lorenzo da Ponte
Uraufführung: 1. Mai 1786, Burgtheater Wien
Aufführungen in Zürich vom 11.3.- 22.6.2007

Kritik: (SK) Dem Zürcher Opernpublikum wird in dieser Spielzeit etwas gar viel Mozart aufgetischt, nach „Finta semplice“ und „Zauberflöte“ folgte gestern die Neu-inszenierung der „Nozze di Figaro“, und dies nachdem die Flimm-Inszenierung kaum 10 Jahre zurückliegt und relativ wenig gespielt wurde. Eine Neuinszenierung dieses beliebten Werkes hätte sich also nur aufgedrängt, wenn diese eine völlig neue Sichtweise auf das Werk eröffnet oder mit einer ganz aussergewöhnlichen Besetzung aufgewartet hätte. Weder das eine noch das andere war der Fall. Das begeisterte Premierenpublikum durfte zwar eine solide, streckenweise rasante und humorvolle Aufführung beklatschen, es gab viele amüsante und anzügliche Details zu sehen, doch neue Erkenntnisse stellten sich kaum ein. Der Generalmusikdirektor Franz Welser-Möst dirigierte das gut disponierte Orchester schmissig und laut durch die ohne Striche gegebene Aufführung, Überraschungen bezüglich Tempi oder Akzenten, wie bei Harnoncourts Zauberflöte vor drei Wochen gehört, blieben aus. Sven-Eric Bechtolf bescherte uns eine beschwingte, schwankhafte Inszenierung im etwas gar einfach gehaltenen Einheitsbühnenbild von Rolf Glittenberg, das einen grosszügigen, mit mediterranem Licht durchleuchteten Innenraum eines spanischen Palacio darstellt, wenige Kartons, Stühle und Garderobenständer und im letzten Akt Karussellpferde dienen als Verstecke für die turbulente Handlung. Die Kostüme zeigen uns kein Rokoko, sondern das Spanien der Dreissigerjahre des 20.Jahrhunderts. Alles Politische, das durchaus in dieser Oper und der Quelle von Beaumarchais vorhanden ist, wurde ausgeblendet.
Keine Spur vom aufkommenden Faschismus und den Veränderungen, die der Welt in dieser Zeit bevorstanden. Statt dessen konzentrierte sich das Inszenierungsteam ganz auf die zwischenmenschlichen Beziehungen, die empfundenen und verletzten Gefühle, den Kampf zwischen den Geschlechtern. Standesunterschiede sind verschwunden, Figaro und Graf sind beide sehr chic angezogen, die Gräfin und Susanna kichern und tuscheln wie beste Freundinnen miteinander. Dieses Spiel wird sehr gekonnt dargeboten, der Regisseur verlangt von seinen DarstellerInnen einiges ab. Das reicht von den unzähligen Zaubertricks des Grafen, der von seinen Untertanen einen Zauberkasten geschenkt kriegt und anschliessend wie ein kleines Kind ständig damit spielt, bis zu den akrobatischen Einlagen der Barbarina (auch gesanglich ein grosses Versprechen für die Zukunft – Eva Liebau).
Intendant Pereira hat es geschafft, in den letzten Jahren ein sehr homogenes Mozartensemble zusammenzustellen, nun kann man die Erfolge sehen und hören. Allen voran Martina Janková als quicklebendige Susanna. Ihre Stimme perlt glockenrein und dominiert die Ensembles aufs Wunderbarste. Ihr Verlobter wird vom einzigen Gast gesungen, Erwin Schrott, der bereits hoch gehandelte Star aus Uruguay, präsentierte einen machohaft agierenden und kraftvoll singenden Figaro. Michael Volles Zauberkünste wurden bereits erwähnt, doch auch stimmlich konnte er auftrumpfen. Gleiches lässt sich von Malin Hartelius als Gräfin leider nicht sagen. Wie schon als Donna Elvira im „Don Giovanni“ scheint ihre Stimme für diese Partien zu klein zu sein. Sie verfügt über eine schöne warme Mittellage, neigt in der Höhe jedoch zu unschönen Vibrati und manchmal gaumigen Tönen.
Dank der strichlosen Aufführung kam das Publikum auch in den Genuss der heiklen Arie der Marcellina „Il capro e la capretta“, die Irene Friedli vorzüglich gelang. Der jedem Rock nachspringende Cherubino war bei Judith Schmid bestens aufgehoben.
Selbst Basilio (Martin Zysset) konnte sich seinem (ihrem…) Charme nicht entziehen.
Carlos Chausson, der Figaro der letzten Inszenierung, durfte nun zu seinem Vater Bartolo werden und eine grossartige Rachearie darbieten.
Am Schluss setzten sich alle Beteiligten alleine oder mit dem (wieder)gefundenen Partner auf die Pferdchen, auf dass sich das Karussell der Liebe weiter drehe…

Fazit: Ein unterhaltsamer, gefälliger Opernabend, homogenes Ensemble, aber mit Eintrittspreisen in Stufe VI zu teuer.

Synopsis: „Figaros Hochzeit“ ist die Fortsetzung des „Barbiers von Sevilla“.
Die Handlung spielt an einem einzigen Tag.
Graf Almaviva ist mit Rosina verheiratet, aber seine Gefühle für die Gräfin sind erkaltet. Er stellt der Zofe Susanna nach, die sich jedoch mitten in den Hochzeitsvorbereitungen mit Figaro, Almavivas Kammerdiener, befindet. Zwar hat der Graf auf das adlige „Recht auf die erste Nacht“ verzichtet, nimmt sein Versprechen jedoch nicht sehr ernst. Figaro seinerseits hat die Ehe Marcellina versprochen. Nach einigen turbulenten Szenen, die geprägt sind vom ständigen Auftauchen des jungen Heisssporns Cherubino, von Eifersucht, Rache, Verwechslungen, Intrigen und Lust, stellt sich heraus, dass Marcellina Figaros Mutter ist, Bartolo sein Vater und weder Susanna noch die Gräfin untreu waren.
Auf Knien muss der Graf seine Gräfin um Verzeihung bitten. Doch ist die Welt nun wieder in Ordnung, sind die Wunden verheilt?

Musikalische Höhepunkte: Viele bekannte und wunderschöne Arien und Ensembleszenen, so die beiden Arien der Gräfin „Porgi amor“ und „Dove sono i bei momenti“, Cherubinos „Non so più“ und „Voi che sapete“, Susannas „Deh vieni, non tardar“ im vierten Akt, Figaros „Aprite un po? quel?occhi“...

Francesca da Rimini in Zürich


Grosses Musiktheater, Emily Magee glänzt als tragische Titelheldin. Glutvolles, berauschendes Dirigat von Nello Santi!

Premiere: 3. Juni 2007

Oper in vier Akten
Musik: Riccardo Zandonai
Libretto : Tito Ricordi, nach Gabriele D´Annunzio
Uraufführung: 19. Februar 1914 in Turin

Aufführungen in Zürich vom 3.Juni bis 7. Juli 2007

Lohnenswerte Begegnung mit einem viel zu selten gespielten, musikalisch äusserst reizvollen Werk. Grandiose Emily Magee in der Titelrolle.
Wer es schwülstig mag, kommt voll auf seine Rechnung! Hommage an die Ausstattungsoper!
Zürcher Erstaufführung!

Kritik:
(SK) Üppig, schwülstig, irisierend und glutvoll lodert Zandonais Musik aus dem Orchestergraben. Der verdiente Zürcher Publikumsliebling Nello Santi dirigiert die schwierige Partitur meisterhaft und ebenso spielt das wunderbare Orchester der Oper Zürich. Auch die zarten, impressionistischen Passagen entfalten ihren Reiz, es entsteht an diesem Abend eine berauschende Sogwirkung, der sich das begeisterte Premierenpublikum nicht entziehen kann.
Doch wie setzt man diese tragisch-schwülstige Geschichte (die auf Dante zurückgeht und vom italienischen Nationalhelden und Weggefährten Mussolinis, Gabriele D`Annunzio dramatisiert wurde) in Szene, ohne dass sie lächerlich oder verstaubt wirkt?
Regisseur Giancarlo del Monaco, dessen Vater schon ein gefeierter Interpret des Paolo war, und sein Bühnenbildner (Carlo Centolavigna) entschieden sich für eine Verlegung der mittelalterlichen Familienfehde in D`Annunzios Villa „Vittoriale“ am Gardasee, die sie detailgetreu auf der Zürcher Bühne nachbauten. Welch eine Ausstattungsorgie war da zu bestaunen, manchmal fürchtete man beinahe, von all dem Schwulst erdrückt zu werden und geriet in Versuchung, die Kitsch-Polizei zu rufen.
Im ersten Akt ein üppig wuchernder Garten, samt lebendigem Falken, im zweiten Akt der effektvolle Auftritt Gianciottos aus dem Bug des mit der Venus von Milo ausstaffierten Schlachtschiffs, im dritten Akt ein riesiges Schlafgemach, voll gestopft mit Brokatkissen, Statuen, Büsten und Wänden voller Gemälde von Raffael bis Klimt und mittelalterlichen Schriften, im vierten Akt schliesslich ein fürstlicher Saal mit einer übergrossen Statue des Perseus, der soeben die Medusa enthauptet hat, und für das Schlussbild befinden wir uns wieder im ehebrecherischen Schlafgemach. Keine Wunder, dass lange Umbaupausen vonnöten waren.
Die Kostüme der Damen sind von einer Pracht sondergleichen, an Seide und weich fliessendem Chiffon wurde nicht gespart. Und doch – noch selten flossen Szene und Musik derart stimmig ineinander, Ohren und Augen wurden satt, sehr satt. Übersatt?
Beinahe 100 Jahre nach der Uraufführung gelangt dieses Werk des zu Ende gehenden Verismo nun zur Zürcher Erstaufführung. Wir erlebten Rollendebüts aller Beteiligten, nur der Dirigent Nello Santi war vertraut mit dem Werk, er hatte es in den 70ern und 80ern des letzten Jahrhunderts schon in Paris und an der Met dirigiert.
Die Titelpartie erfordert eine Sängerin, die sowohl grosse Tragödin als auch zart fühlende Schwester und leidende Geliebte sein kann. Emily Magee ist ein wahrer Glücksfall. Ihr samtig dunkles Timbre, ihre mühlelosen Attacken und weichen Legati sind eine Offenbarung. Wir hoffen, die Sängerin noch oft am Opernhaus zu hören. Die weiteren Frauenrollen sind zwar nicht sehr umfangreich, doch enorm wichtig für das gesamte Klangbild und die Aura, die dieses Werk prägen. Sie alle verdienen grosses Lob, von der verletzlichen Schwester Samaritana (Martina Welschenbach, ganz wunderbar) zur geheimnisvollen Sklavin Smaragdi (aus dem Opernstudio die vielversprechende Hélène Couture) und den Freundinnen Francescas, die von Christiane Kohl, Irène Friedli, Katharina Peetz und Sandra Trattnigg fantastisch gesungen wurden.
Die unterschiedlichen Malatesta Brüder wurden sehr differenziert verkörpert von Juan Pons (als gelähmter Gianciotto im Rollstuhl), Marcello Giordani (als Paolo, der Schöne) und Boiko Zvetanov (als Malatestino, der Einäugige). Die Szene mit dem abwartenden, sich immer mehr in Misstrauen und Eifersucht steigernden Juan Pons und dem miesen, hinterhältig-brutalen Perversling Malatestino geriet zu einem der vielen musikalischen Höhepunkte des Abends. Boiko Zvetanov hat hier eine Sternstunde und brilliert mit seinem geradlinig strahlend geführten Tenor in dieser schwierigen Partie sowohl gesanglich als auch darstellerisch. Hier war nun auch eine überzeugende Personenführung zu erleben, die man im kriegerischen 2. Akt noch schmerzlich vermisst hatte. (Chor: Speer rauf, Speer runter…)
Marcello Giordani kann sich im Verlauf der Aufführungen sicher noch etwas lösen, seine Höhe kommt oft etwas dünn, den Piani fehlt die Substanz. Doch ist ihm zu Gute zu halten, dass er sich nicht ins Brüllen rettet. Darstellerisch wirkt er eher etwas steif, auch seine Kostüme (Maria Filippi) gerieten leider nicht gerade vorteilhaft. Wenn er schon „der Schöne“ heisst, müsste er auch entsprechend gekleidet sein…
Grosser Jubel für alle Beteiligten!

Fazit: Lohnenswerte Begegnung mit einem viel zu selten gespielten, musikalisch äusserst reizvollen Werk.
Wer es schwülstig mag, kommt voll auf seine Rechnung! Hommage an die Ausstattungsoper!

Musikalische Höhepunkte:
Interessanter Kontrast zwischen den eher lyrisch impressionistisch angehauchten Akten 1 und 3 und den kriegerisch brutalen Akten 2 und 4.
Liebesduette in den Akten 3 und 4, Auftritt Francescas in Akt 1 (mit Damenchor, erinnert an „Butterfly“)
Auseinandersetzung Gianciotto-Malatestina in Akt 4

Synopsis:
Francesca wird aus politischen Gründen zur Heirat mit dem verkrüppelten Gianciotto Malatesta gezwungen. Dessen schöner Bruder Paolo kommt als Abgesandter der Familie Malatesta nach Ravenna um die Brautwerbung zu überbringen. Dabei verlieben sich die beiden ineinander. Doch die Eheschliessung mit Gianciotto findet trotzdem statt.
Sie begeht den Ehebruch mit Paolo, wird jedoch vom dritten Bruder, dem einäugigen Malatestino, dabei beobachtet, erpresst und – da sie ihm nicht gefügig ist – denunziert. Gianciotto überrascht die beiden Liebenden in flagranti und stürzt sich mit dem Schwert auf den unbewaffneten Paolo. Francesca wirft sich dazwischen und wird tödlich getroffen. Paolo hält die Sterbende in seinen Armen und fällt unter dem Schwert seines Bruders.

Szenen aus Goethes Faust in Zürich


Schumanns Faust Szenen erstmals auf der Bühne des Opernhauses; eine Installation des österreichischen Aktionskünstlers Nitsch.

Premiere: 24. Juni 2007

Szenen aus Goethes Faust
Oper/Oratorium in drei Teilen
Musik: Robert Schumann
Libretto : Robert Schumann, nach Johann Wolfgang von Goethe
Uraufführung: 14. Januar 1862 in Köln
Aufführungen in Zürich vom 24.Juni bis 30.Juni 2007

Kritik:
(SK)Faust zum Dritten: Nach Busonis „Doktor Faust“ zu Beginn der Spielzeit und der Wiederaufnahme von Gounods „Faust“ folgt nun zum Abschluss der Spielzeit – und passend zum musikalischen Schwerpunkt der Festwochen – die szenische Aufführung von Schumanns schwierigem Spätwerk. Während sich die meisten Komponisten, die sich mit diesem Stoff auseinandersetzten, auf den leichter zugänglichen ersten Teil von Goethes Werk konzentrierten, legte Schumann sein Hauptaugenmerk auf den zweiten Teil von Goethes Dichtung. Eine Dichtung, der Thomas Mann „schrullige Ungeniessbarkeit“ vorwarf. Schumann war sich selber nicht ganz sicher, ob er das Ganze als Oper oder als Oratorium betiteln sollte. So entschloss er sich, das Werk „Szenen aus Goethes Faust“ zu nennen. Die Frage stellt sich nun, ob dieses Opus für die Bühne geeignet ist. In Zürich entschloss man sich, den österreichischen Aktionskünstler Hermann Nitsch mit der Ausstattung zu betrauen. Nitsch, bekannt durch sein Orgien/Mysterien Theater, illustrierte den Abend mit zahllosen Farbprojektionen, die von reifen Trauben, Berglandschaften und Sonnen bis zu abstrakten Farbkompositionen reichten, in unaufhörlichem, schnellem Wechsel. Zeitweise ergaben sich so ansprechende Bilder, aber auch eine Unruhe, die von der Musik ablenkte und an der Grenze zum anthroposophischen Kitsch war.
Von einer Personenführung (Andreas Zimmermann) war nichts zu sehen, ausser dass die Protagonisten immer wieder eine Kruzifix-Haltung einnehmen mussten, die Sängerinnen und Sänger standen steif auf der Bühne herum, der Chor wirkte hilflos und oftmals peinlich. („Rette mich“ – alle Hände rauf…) Selbstverständlich durfte ein Blutbad, das Markenzeichen Nitschs, auf der Bühne nicht fehlen. In der Kathedralenszene des ersten Teils wurde genüsslich ein Schwein ausgenommen, Theaterblut floss in Strömen, Kot und Eingeweide wucherten unaufhaltsam aus dem aufgeschlitzten Bauch und wurden wieder hineingestopft. Die ersten Besucher verliessen den Saal…
Um auf die aufgeworfene Frage zurückzukommen: Eine konzertante Wiedergabe wie sie im Frühjahr mit dem selben Team bereits in der Tonhalle stattgefunden hatte, hätte ausgereicht. Die szenische Aufführung brachte dem Werk und seinem Verständnis kaum etwas; ein Riesenaufwand, wenig nachhaltige Wirkung. Und dies für nur vier Aufführungen.

Musikalisch blieben bis zur Pause wenig Wünsche offen, Franz Welser-Möst führte das Orchester sicher und differenziert durch die Partitur, rhythmische Präzision und spannungsvolle Dramatik überzeugten schon in der Ouverture. Leider konnte dieses Niveau im dritten Teil nicht gehalten werden. Patzer häuften sich, die Choreinsätze wackelten, die Aufführung schien streckenweise auseinanderzubrechen und wurde zähflüssig. Kein Wunder, dass einer der Chorknaben mit Nasebohren begann. So kam wenigstens noch etwas Bewegung in diese desolate, langatmige Szene.
Von den Solisten ragte Simon Keenlyside in der äusserst anspruchsvollen Rolle des Faust heraus. Grossartig seine Stimmführung, seine Diktion und auch seine physische Erscheinung. Durch die zahlreichen rituellen Waschungen auf der Bühne kamen seine weiblichen und männlichen Anhänger in den Genuss, den perfekten Body des Starbaritons in wechselnder Unterwäsche zu bewundern. Allerdings stellten sich auch bei ihm im dritten Teil hörbare Ermüdungserscheinungen ein. Malin Hartelius fand anrührende Töne für das Gretchen, Roberto Saccà war eine Luxusbesetzung für die relativ kleine Rolle des Ariel/Pater Ecstaticus und musste aus schwebenden Positionen singen, was ihm bestimmt nicht so behagte, Günther Groissböck gab einen sonoren Mephisto. Von den Sängern und Sängerinnen der kleineren Partien überzeugte einmal mehr Eva Liebau als „Sorge“. Welch wunderbare, glockenreine Sopranstimme!
Wohlwollender, aber nicht ekstatischer Applaus zum Schluss.

Fazit:
Das Faust-Projekt ist leider auf hohem Niveau gescheitert.
Trotzdem bietet die Zürcher Oper eine hörenswerte Auseinandersetzung mit einem interessanten, selten gespielten und innovativen Werk Robert Schumanns.

Synopsis:
1. Teil: Faust trifft Gretchen im Garten, ist von ihrer Anmut entzückt und führt sie zu höchsten Liebeswonnen.
Gretchen betet voller Verzweiflung zur Mutter Gottes. Sie ist entehrt und bittet um Vergebung für ihr sündiges Verhalten.
Gretchen in der Kathedrale: Zu den Gesängen des Dies irae schreit die Seelenpein aus ihrer Brust.
2. Teil: Faust erwacht auf einer Blumenwiese. Ariel bittet die Elfen, Fausts schwere Gedanken von ihm zu nehmen. Faust preist die Schönheit der Natur.
Mangel, Schuld, Sorge und Not schleichen sich in Fausts Gedankenwelt. Faust erblindet, doch das Licht der Erkenntnis leuchtet in ihm.
Mephisto und seine Lemuren schaufeln Fausts Grab. Faust, immer noch blind, hat eine Vision des Paradieses. „Augenblick, verweile doch…“ Faust sinkt tot ins Grab.
3. Teil: Heilige Mönche, Engel und selige Knabenchöre preisen eine Vision des Himmels. Faust ist erlöst, als Doktor Marianus spricht Faust zur Himmelskönigin. Alle bitten die Mater Gloriosa auch Gretchen zu verzeihen. Faust preist das „Ewig Weibliche“.

Musikalische Höhepunkte:
Szene in der Kathedrale „Ach neige, du Schmerzenreiche“ mit dem anschliessenden gewaltigen Dies irae Chor,
Szene Faust – Sorge „Ist jemand hier?“

Andrea Chénier in Zürich


Umjubelte Neuinszenierung des grossartigen Revolutionsdramas von Umberto Giordano, reich an musikalischen Kostbarkeiten! Unbedingt hingehen und sich vom lodernden Verismo-Strudel mitreissen lassen!

Premiere: 30. September 2007

Oper in 4 Akten
Musik: Umberto Giordano
Libretto : Luigi Illica
Uraufführung: 28. März 1896 an der Mailänder Scala
Aufführungen in Zürich vom 30. September bis 24. Oktober 2007

Die grandiose Oper von Umberto Giordano ist eine zweifache Tragödie: Das grausame Schicksal des Liebespaares (Chénier/Maddalena) eingebettet in den grässlichen Fatalismus der Revolution, die ihre eigenen Kinder frisst.
Nach Hans Hollmanns überzeugender Inszenierung an diesem Haus im Jahr 1994 durfte man auf Grischa Asagaroffs Deutung gespannt sein.
Kritik: (UL/SK) Ein umjubelter Abend zur Eröffnung der Opernsaison. Nello Santis glutvolles Dirigat, das die knalligen Effekte der Partitur ebenso wirkungsvoll zur Geltung brachte wie die leiseren Zwischentöne, ein Protagonistentrio (Salvatore Licitra als Chénier, Lucio Gallo als Gérard und Micaela Carosi als Maddalena), das den Anforderungen der Partien auch bezüglich des unter dauernder Hochspannung Stehens bestens gewachsen war, machten den Abend zu einem Fest für Melomanen.
Grischa Asagaroffs Inszenierung überzeugt ebenso wie die Ausstattung Reinhard von der Thannens. Der Bühnenraum (ein in Weiss gestalteter stilisierter Pavillon) gibt immer wieder den Blick auf die Erdkugel frei, wohl als Hinweis auf die ungeheure Bedeutung der französischen Revolution auf das Weltgeschehen. Der zur kompletten Erstarrung gekommene, dekadente Adel ist uniform weiss gekleidet und geschminkt – ja geradezu zugepflastert. Nur ein leuchtend rotes Halsband deutet auf den ihm bevorstehenden Tod durch die Guillotine hin. Unaufhörlich polieren die Aristokraten in ihren Filzpantoffeln den Boden, auf dem sie dann endgültig ausrutschen werden…Menschliche Züge tragen nur die Bediensteten, aber auch das Liebespaar Chénier und Maddalena. Wie immer in Zürich sind auch die Nebenrollen sehr stark besetzt, als Beispiel soll nur der ergreifende Auftritt der blinden Madelon (Cornelia Kallisch) genannt sein, die ihren Enkel der Revolutionsarmee übergibt.
Aufführung vom 24.Oktober 2007: Der stimmgewaltige Marcello Giordani übernahm nun die Titelpartie. Leider war er hörbar indisponiert und liess sich vor dem letzten Bild entschuldigen. Immerhin konnte er mit sicherer Höhe auftrumpfen. Raffaela Angeletti war eine anrührende Maddalena, sie verfügt über ein breites dynamisches Spektrum, vom zarten Piano bis zum dramatischen Fortissimo-Ausbruch. Lucio Gallo begann relativ verhalten, steigerte sich aber im 3. Akt zu einem wahrhaft überwältigenden “Nemico della patria”.
Der Vogelkäfig-Pavillon, in welchem das Geschehen angesiedelt ist, stellt eine überzeugende und sinnfällige szenische Lösung dar. Das gleissende Neonlicht hingegen wirkt zu grell, lässt keine Stimmung und kein Mitgefühl mit den Protagonisten aufkommen.

Dirigent
Nello Santi
Inszenierung
Grischa Asagaroff
Ausstattung
Reinhard von der Thannen
Mit
Micaela Carosi/Raffaela Angeletti (Maddalena de Coigny); Salvatore Licitra/ Marcello Giordani (Andrea Chenier), Lucio Gallo (Carlo Gerard)
Judith Schmid (Bersi), Margaret Chalker (Contessa de Coigny), Cornelia Kallisch (Madelon)

Synopsis:
Die Handlung der Oper findet zwischen 1789 und 1794 statt, zur Zeit der Französischen Revolution und der Schreckensherrschaft der Jakobiner in und um Paris.
1. Akt
Der Dichter Andrea Chénier ist gegen den Adel und dessen dekadenten Lebensstil eingestellt. Durch spitze Bemerkungen der adeligen Maddalena wird er dazu gebracht, eigene Verse vorzutragen. In denen übt er harsche Kritik am Adel und dessen Lebensweise. Der Diener Gérard stört das Fest, indem er Bettler von der Strasse in den Ballsaal schleppt. Er wird aus dem Haus gejagt.
2. Akt
Andrea Chénier ist im Paris der Revolution zu einem gefeierten Mann geworden. Doch die Zeiten haben sich geändert und er wird kritisch wegen seiner Beziehungen zum Adel betrachtet und gerät unter Verdacht, nicht mehr hinter den Ideen der Revolution zu stehen. Geheime Liebesbriefe halten ihn davon ab zu fliehen. Es kommt zu einer Liebesszene, die von einem Spitzel (Un Incredibile) beobachtet wird. Der Spitzel benachrichtigt Gérard, der mittlerweile zum Sekretär der Revolution aufgestiegen ist. Zwischen Gérard und Chénier kommt es zu einem Duell, bei dem Gérard schwer verwundet zusammenbricht.
3. Akt
Gérard ist wieder genesen, hat Chénier verhaften und vor Gericht stellen lassen. Im Sitzungssaal des Revolutionstribunals taucht Maddalena auf, um ihn zu retten. Gérard erkennt sie ebenfalls und fühlt, wie seine Liebe zu ihr wieder aufflammt und stärker wird. Als Preis für Chéniers Rettung fordert er ihre Liebe und sie willigt ein. Sie hält eine ergreifende Rede über ihr Schicksal während der Revolution. Diese und ihre Bereitswilligkeit, “sich zu opfern”, lassen Gérard seine Einstellung zu Chénier ändern. Gérard tritt für ihn ein und spricht sich gegen das Todesurteil aus. Dennoch kann er nicht verhindern, dass Andrea Chénier zur Guillotine verurteilt wird. Das Volk will es so.
4. Akt
Im Gefängnis: Chénier trägt seinem Freund Roucher seine letzten Verse vor. Maddalena fasst den Entschluss, mit dem Mann, den sie liebt, zu sterben. Sie besticht den Gefängniswärter und besteigt so an Stelle einer verurteilten Delinquentin zusammen mit Chénier den Karren, der sie zum Schafott bringt. Gérard versucht, eine Begnadigung zu erwirken, doch es ist zu spät. Maddalena und Chénier sind im Tode vereint.

Musikalische Höhepunkte:
Un dì all’azzuro spazio” (Chénier, 1. Akt)
Come un bel dí di Maggio” (Chénier, 4. Akt)
La mamma morta” (Maddalena, 3. Akt) bekannt als Filmmusik aus dem AIDS Drama “Philadelphia” mit Tom Hanks
Nemico della patria” (Gérard, 3. Akt)

Die Königskinder in Zürich


Jonas Kaufmann begeistert in einer intelligenten, zutiefst menschlichen Inszenierung der KÖNIGSKINDER!

Premiere: 21. Oktober 2007

Königskinder
Oper in drei Akten
Musik: Engelbert Humperdinck
Libretto: Ernst Rosmer (Pseudonym für Elsa Bernstein)
Uraufführung: 28. Dezember 1910 an der Metropolitan Opera New York
Aufführungen in Zürich vom 21. Oktober bis 18. November 2007

Kritik: (SK) Die spiessige Dorfgemeinschaft in der Turnhalle – in diesem Einheitsbühnenbild siedeln der Ausstatter Mathis Neidhart und der Regisseur Jens-Daniel Herzog Humperdincks Parabel an. In dieser Turnhalle hält die griesgrämige, altjüngferlich-gestrenge Biologieprofessorin (grossartig als „Hexe“ Liliana Nikiteanu) ihre Schülerin, die Gänsemagd, gefangen. Diese muss nachsitzen, kann nicht aus der zum Biologielabor umfunktionierten Halle fliehen. Sie hängt ihren kindlichen Träumen in Form von Papiergänsen nach. Erst als ihr der Spielmann ihr Menschsein bewusst macht, ist der Bann gebrochen. Selbst die Professorin wird durch die Anzüglichkeiten des Spielmanns aus ihrer Reserve gelockt, wird zur Frau und löst den Haarknoten, der sie so streng wirken liess. Solche Details intelligenter Personenführung sind es, die den Abend zum spannenden Ereignis werden lassen. Höhepunkt ist sicherlich der 2. Akt, wenn die Turnhalle zum Festsaal für die geldgierigen Bürger wird. Die Zeichnung der Charaktere, von der notgeilen Wirtstochter (umwerfend Martina Welschenbach) zur schnippischen Stallmagd (die immer wieder begeisternde Kismara Pessatti), vom prahlerischen Kleinbürger (sehr gut als Holzhacker: Reinhard Mayr) zum täppischen Politiker, vom gierigen Wirt, mit seinem mit Pappkronen ausgestatteten Servierpersonal, zur feinfühligen Tochter des Besenbinders (ergreifend Marie-Thérèse Albert), verdient höchste Bewunderung.
Im 3. Akt ist die Turnhalle zerstört, Anarchie herrscht, die (Gefühls-)kälte bricht mit Schneegestöber durch die zerbrochenen Fensterscheiben. Der Spielmann, jetzt als Blinder als einziger sehend, und die grosse Kinderschar suchen das Wahre und Edle, das sie als einzige erkannt haben. Zu spät. Das ergreifende Schlussbild zeigt 50 Kinder, die aus dem tiefen Dunkel der Hinterbühne ins Licht kommen und wieder entschwinden. Ihre „Königskinder“-Rufe hallen unheimlich, elektronisch verstärkt, durch den Zuschauerraum.
Einmal mehr muss die ungemein stimmungsvolle Lichtgestaltung durch Jürgen Hoffmann erwähnt werden. Sie schafft in diesem doch eher tristen Raum eindrückliche Bilder!
Das ganz grosse Ereignis des Abends ist Jonas Kaufmann, der die anspruchsvolle Partie des Königssohns mit Bravour meistert. Seine Darstellung der Wandlung vom ungehobelten, verwöhnten Prinzen zum Mann, der zu Demut und Menschlichkeit fähig ist, verdient höchstes Lob. Er besitzt die jugendlich strahlende, in allen Lagen perfekt sitzende, dunkel gefärbte Tenorstimme, welche das Publikum zu Recht begeisterte! Auch Isabel Rey als Gänsemagd überzeugte mit einer äusserst intensiven Gestaltung ihrer Rolle, obwohl sie stimmlich an Grenzen stiess. Für die langen, aufblühenden Kantilenen schien ihr manchmal der Atem zu fehlen, in der Höhe klang sie ab und an etwas schrill und forciert. Doch ihr zart gesungenes Gebet „Vater! Mutter! Hier will ich knien!“ war dann von einer zu Tränen rührenden Innigkeit. Oliver Widmer stattete den Spielmann im ersten Teil mit der notwendigen Nonchalance aus, im Schlussbild war er ein edler, philosophischer, blinder Seher.
Ingo Metzmacher stand zum ersten Mal am Pult des Opernhauses Zürich. Ein voll gelungener Einstand. Er wob einen intensiven Klangteppich, brachte Humperdincks einfühlsame Musik wunderbar zum Blühen und das Orchester der Oper Zürich setzte seine Intentionen ganz vorzüglich um. Die Produktion passt sehr gut in die Reihe „Von deutscher Seele“ mit der Metzmacher (mit seinem Deutschen Sinfonieorchester Berlin) dem Deutschen in der Musik nachspüren will. Einhellige Begeisterung am Schluss des Abends.

Fazit:
Ein entzaubertes Märchen – und doch zauberhaft intensiv und anrührend umgesetzt!

Musikalische Höhepunkte:
Königssohn: „Willst du mein Maienbuhle sein?“ 1. Akt; „ Zinnende Burgen…“ 2. Akt; „Nachttropfen tauen…“ 3. Akt
Gänsemagd: „Vater! Mutter!“ 1. Akt
Spielmann: „Wohin bist du gegangen“ 3. Akt; “Verdorben! Gestorben!“ 3. Akt
Vorspiel zum 3. Akt

Das Werk:
Während Humperdincks Erfolgs-Märchenoper „Hänsel und Gretel“ oftmals als Kinderoper bezeichnet wird (zu Unrecht, da auch sie mir ihren impliziten Allusionen bei weitem die Intentionen einer harmlosen Kinderoper übersteigt), wandte der Komponist sich mit den „Königskindern“ eindeutig an die Erwachsenen. Die tiefsinnige Symbolik des Werks schlägt sich musikalisch in einer lyrisch-elegischen Grundstimmung nieder. Aber auch in dieser Partitur verwob Humperdinck kunstvoll wagnersche Klänge mit volksliedhaften Weisen. Die Uraufführung in New York wurde zu einem triumphalen Erfolg und übertraf Puccinis „Fanciulla del West“, die im selben Monat an der Met uraufgeführt wurde. Das Werk führt aber seither eher ein Schattendasein; mit seiner schwebenden Melodik voll tragischer Empfindung vermochte sich die Oper nicht dauerhaft auf den Bühnen durchzusetzen. Dieses Werk beschwört den Traum von der Bewahrung menschlicher Würde auch unter erniedrigenden Umständen. Bezeichnenderweise ist es ein Kind, das alleine zum Erkennen der Wahrheit fähig ist und verzweifelt ob der Blindheit der Erwachsenen. (Schlüsselszene am Ende des 2. Aktes)

Synopsis:
Eine Gänsemagd lebt tief im Wald bei einer Hexe. Sie träumt von einem Leben ausserhalb des Waldes und der Begegnung mit Menschen. Die Hexe jedoch will ihr Hexenkünste beibringen. Sie backen ein Brot, das denjenigen, der davon isst, töten soll. Die Gänsemagd jedoch segnet das Brot mit den Worten: „Der davon isst, mag das Schönste seh´n.“
Während die Hexe auf Pilzsuche geht, erscheint ein Königssohn, der das Leben kennen lernen will. Die beiden verlieben sich ineinander. Die Gänsemagd vermag den Zauberbann der Hexe jedoch nicht zu brechen, der Königssohn hält sie für feige und zieht enttäuscht alleine weiter. Erst ein herabfallender Stern bricht den Bann. Die Gänsemagd kann mit der Krone, die der Königssohn verloren hat, in die Stadt Hellabrunn fliehen.
Dort erwartet man den neuen König. Gemäss Prophezeiungen der Hexe soll der regieren, der zum Schlag der Mittagsglocke durchs Stadttor tritt. Das ist die Gänsemagd mit der Krone. Sie wird jedoch verhöhnt. Der Königssohn, als Schweinehirt in der Stadt, und der Spielmann verteidigen sie. Doch die aufgebrachten Bürger jagen Schweinehirt und Gänsemagd aus der Stadt. Nur ein kleines Kind sagt: „Das sind der König und seine Frau gewesen.“
Hungernd und dem Kältetod nahe kommen die beiden wieder zur Hexenhütte. Die Hexe ist unterdessen auf dem Scheiterhaufen verbrannt worden (falsche Prophezeiungen). Sie essen von dem Zauberbrot. Fluch und Segen des Brotes erfüllen sich. Sie träumen von ihrer ersten zärtlichen Begegnung. Der Schnee deckt die beiden Sterbenden zu. Unter dem Gesang des Spielmanns werden sie zu Grabe getragen.

Besetzung:
Dirigent: Ingo Metzmacher
Inszenierung: Jens-Daniel Herzog
Bühnenbild/Kostüme: Mathis Neidhart
Isabel Rey (Magd), Liliana Nikiteanu (Hexe), Kismara Pessatti (Stallmagd), Martina Welschenbach (Wirtstochter); Jonas Kaufmann (Königssohn), Oliver Widmer (Spielmann)

Falstaff in Luzern


Einmal mehr lohnt sich die Reise nach Luzern. Verdis Meisterwerk in einer fulminanten Inszenierung

Premiere: 6. Oktober 2007

Komische Oper in drei Akten
Musik: Giuseppe Verdi
Text: Arrigo Boito
Uraufführung: 9. Februar 1893, Teatro alla Scala, Mailand
Aufführungen in Luzern: Do 15.11.07 | Sa 17.11.07 | Do 22.11.07 | Mi 12.12.07 | Fr 14.12.07 | Fr 21.12.07 | Sa 29.12.07 | Sa 05.01.08 | Sa 12.01.08 | Fr 18.01.08, Geschlossene Vorstellung

Kritik: (SK) Besuchte Aufführung: 10.November 2007
Wer beschwingtes, intelligentes Musiktheater abseits von verstaubten Konventionen mag, ist hier an der richtigen Adresse. Was das junge, spielfreudige Team um den Regisseur David Hermann aus der letzten Oper Verdis macht, ist alleweil sehens- und hörenswert. Trotz modernen Kostümen und des Fehlens von Postkarten-Windsor-Ansichten bleibt die Inszenierung sehr textgetreu und umwerfend lustig, ohne je billig oder beliebig zu wirken. Sie nimmt das Stück im besten Sinne des Wortes ernst, so ernst, dass es nicht ohne Tote abgeht. Aber auch dieser überraschende Schluss ist sinnfällig, denn am Ende der turbulenten Oper kann ausser dem Liebespaar Fenton/Nannetta (und in dieser Inszenierung auch dem schwulen Paar Cajus/Bardolfo!) niemand richtig glücklich sein.
Selbstverständlich kann man die sängerischen Leistungen nicht immer an denen eines grossen Hauses messen, aber die Darstellerinnen und Darsteller in Luzern schlagen sich beachtlich. Da ist in erster Linie Gregor Dalal in der Titelpartie zu nennen, ein Vollblut-Falstaff mit der richtigen Portion Selbstironie. Seine beiden Angebeteten sind Mechthild Bach (Alice) mit wunderbar aufblühendem Sopran und unglaublich intensivem Spiel und die attraktive, tragische Figur von Meg Page, dargestellt von Olga Privalova. Die Botin, Mrs. Quickly ist bei der attraktiven Mezzosopranistin Annerose Hummel bestens aufgehoben, kein Wunder, dass sich Falstaff am Ende eher ihr zuwendet! Den krankhaft eifersüchtigen Gatten Ford gibt Tobias Hächler mit wunderbar kernigem Bariton und einer atemberaubenden Darstellungkunst. Der Mann wird noch von sich hören lassen! Sumi Kittelberger singt die Nannetta mit zauberhaft sauberer Intonation, herrlich! Ihr Geliebter Fenton war an diesem Abend Tomasz Zagorski, der kurzfristig einspringen musste und sich beachtlich gut in das quirlige Geschehen einfügte. Das Dienerpaar Bardolfo (umwerfend im Schottenröckchen Christoph Breitenmoser) und Pistola (ebenso überzeugend den vermeintlichen Brutalo spielend, Boris Petronje) und der sicher und gekonnt singende und spielende Dr.Cajus (Ferdinand von Plettenberg) rundeten das heftig applaudierte Ensemble würdig ab.
Schade nur, dass das Dirigat des Nachdirigenten Rick Stengards etwas gar farblos und weich gespült war. Verdis kongeniale Partitur und die rasante Inszenierung hätten etwas mehr musikalische Kontur aus dem Orchestergraben durchaus vertragen.

Fazit:
Ein unterhaltsamer, anregender und umwerfend komischer Abend, ohne billigen Klamauk!

Musikalische Höhepunkte:
Ford: “É sogno o realtà?” (2.Akt)
Nannetta: “Sul fil d’un soffio etesio” (3. Akt)
Tutti: “Tutto nel mondo é burla.
L’uom é nato burlone,” (Finale 3. Akt)

Im Schatten des Maulbeerbaums in Zürich


Uraufführung des neusten Werks von Edward Rushton, Kinderoper - auch für Erwachsene-, wunderbar poetisch; stimmungs- und humorvoll inszeniert!

Premiere: und Uraufführung 27. Januar 2008

Oper in 7 Szenen
Musik: Edward Rushton
Libretto: Dagny Gioulami
Uraufführung: 27. Januar 2008 in Zürich
Aufführungen in Zürich vom 27. Januar bis zum 12. März 2008

Kritik:
Les absents ont toujours tort lautet ein altes französisches Sprichwort. Es trifft auf die gestrige Uraufführung im Opernhaus Zürich ganz besonders zu. Man fragt sich, woran es wohl gelegen haben mag, dass diese Vorstellung dermassen schlecht besucht war. Wollte sich ein grosser Teil des Premierenpublikums nicht auf ein zeitgenössisches Werk einlassen? Wollte es dagegen protestieren, dass zwar eine (vermeintliche) Kinderoper im Abonnement angeboten wird, für CARMEN aber extra bezahlt werden muss? Dass zu Eintrittspreisen bis zu Fr. 270.00 die Karten nicht wie warme Semmeln im freien Verkauf weggehen würden, war zu befürchten und müsste die Verantwortlichen im Opernhaus dazu bewegen, ihre Preispolitik zu überdenken.

Wer sich jedoch mit offenen Ohren und offenem Herzen auf das neueste Werk des jungen Komponisten Edward Rushton einliess, konnte bewegt und erfüllt nach Hause gehen. Die Partitur ist voll von wunderbar impressionistisch und lautmalerisch angehauchten Schönheiten, dabei durchaus tonal, und es wurde meist sehr textverständlich gesungen. Die 21 hervorragenden Instrumentalisten unter der einfühlsamen Leitung von Ralf Weikert brachten die Finessen der Partitur wunderbar zum Klingen. Das Intermezzo sinfonico vor der Albtraumszene war etwas vom Wunderbarsten, das ich in zeitgenössischen Opern gehört habe.
Aglaja Nicolet und ihr Bühnenbildner Martin Kinzelmaier brachten eine sehr stimmungsvolle, in jeder Beziehung farbige und kurzweilige Inszenierung der tiefsinnigen Parabel auf die sinnvoll eingesetzte Drehbühne.
Kinder durch Erwachsene darstellen und singen zu lassen ist nicht ohne Risiko, so eine Besetzung könnte leicht mal läppisch, peinlich oder betulich wirken. Das war in Zürich NICHT der Fall: Andreas Winkler überzeugte restlos in der Rolle des verträumten, aber auch aufmüpfigen und spitzbübischen Wim, Sen Guo und Rebeca Olvera waren geradezu ideal besetzt als rotzfreche Töchter des Bürgermeisters, aber auch als koloraturgewandte Glühwürmchen in der fantastischen Traumszene. Margaret Chalker sprang relativ kurzfristig in die Produktion ein und bot ein umwerfend komisches Porträt dieser an eine amerikanische Serienmutter aus den 50er Jahren erinnernde Frau Bim; nur schon ihr Kampf mit dem Liegestuhl und dem Sonnenschirm war eine darstellerische Glanzleistung. Valeriy Murga stand ihr in nichts nach als Vater mit Machoallüren. Rolf Haunstein glänzte als stimmgewaltiger Bürgermeister und fremder Besucher. Der junge, stimmschön philosophierende Morgan Moody als Alter Mann vervollständigte dieses spielfreudige Ensemble.
Bleibt die Frage: Ist dieses Werk als Kinderoper geeignet? Das werden nur die jungen Besucherinnen und Besucher selbst beantworten können. Das Opernhaus empfiehlt den Besuch ab 10 Jahren. Zweifel sind angebracht, ob bei Kindern und Jugendlichen in diesem Alter die Hörgewohnheiten aus Internet und Medien die Offenheit kleinerer Ohren nicht schon verdorben haben. Jüngere Kinder sind meist neugieriger und haben weniger Berührungsängste mit so genannt moderner Musik, werden sich aber besonders im eher philosophisch gehaltenen ersten Teil wahrscheinlich etwas langweilen. Dafür bietet das Werk allen wunderbare Identifikationsfiguren, mehr oder weniger lustige Reime (Äquator – Deckenventilator, Beefsteak Tartar ist unschlagbar, Widiwidiwitt – guten Appetit) und einen sehr poetischen, nachdenklich stimmenden Schluss.

Anmerkung:
Für Kinder werden zwei Vorstellungen angeboten, am 3. und am 6. Februar, wobei erstere bereits ausgebucht ist. Leider sind in dieser Zeit in vielen Zürcher Gemeinden bereits Sportferien angesetzt. Alle andern Vorstellungen werden zu Volksvorstellungspreisen (15.2. und 6.3.)oder in Kategorie IV angeboten (Fr. 32.—bis 198.—), Kinder bezahlen allerdings für alle Vorstellungen Legi-Preise (Fr. 15.—bis Fr. 45.—).

Musikalische Höhepunkte:
Besuch: Zehn Sonnen scheinen, Szene 3
Intermezzo sinfonico nach Szene 4
Glühwürmchen, Szene 5
Die gesamte Szene 6 mit dem Gemeindepräsidenten, der verzweifelten Frau Bim und den Maden in den Frühstücksflocken von Neli und Nilu

Fazit:
Bezaubernde Oper – nicht nur für Kinder -, spielfreudiges, wunderbar ausgewogenes Ensemble, grossartige Leistungen aus dem Orchestergraben.

Synopsis:
Der Sohn von Herrn und Frau Bim, der zehnjährige Wim, ist etwas verträumt und spielt meistens für sich allein im Garten. Dort wird er oft von den Nachbarsmädchen Neli und Nilu, den Töchtern des Gemeindepräsidenten, gehänselt. Auch zu seinen Eltern hat er keinen rechten Draht, sind sie doch mit ihren eigenen Problemen beschäftigt. Als nun ein seltsamer Alter auftaucht, dem der Vater den Schatten seines Maulbeerbaumes verkauft, bekommt Wim unverhofft einen Freund, der sich auf seine Ängste und Nöte einlässt, ihm Naturphänomene erklärt und ihm – gemeinsam mit einem geheimnisvollen Besucher, den er zum Kaffee eingeladen hat – neue Welten eröffnet.

Den Eltern wird der Alte zunehmend lästig, als er dem Lauf des Schattens am Abend bis in die Küche folgt; Frau Bim ist zutiefst beunruhigt, erwarten sie doch am kommenden Tag den Besuch des Gemeindepräsidenten. Herr Bim, der sich an seinen Vertrag gebunden fühlt, beschliesst, das Problem auszusitzen. Als mit der hereinbrechenden Nacht der Schatten verschwindet und mit ihm der Alte, atmet er erleichtert auf. Doch er hat seine Rechnung ohne die Sonne gemacht. Als am folgenden Tag der Gemeindepräsident mit Neli und Nilu zur Mittagszeit erscheint und festlich bewirtet wird, fällt der Schatten in das Zimmer und der Alte macht es sich in ihm gemütlich. Der Gemeindepräsident, der zunächst einen Drei-Generationenhaushalt vermutet, übergiesst Herrn Bim mit blankem Hohn, als er die wahren Hintergründe erfährt. Blossgestellt, beschliesst Herr Bim Hals über Kopf mit seiner Familie wegzuziehen und dem Alten sein Haus zu überlassen. Doch als die Koffer gepackt sind und das Taxi zur Abfahrt bereit steht, ist der Alte plötzlich verschwunden. Neli und Nilu, die eben noch die Abreise von Wim bedauerten und ihm ein Abschiedsgeschenk überreichen, beginnen wieder damit, ihn zu hänseln.

L'Italiana in Algeri in Zürich


Kaum ins Opernstudio eingetreten, wurde der mexikanische Tenor Javier Camarena mit der anspruchsvollen Rolle des Lindoro betraut. Das Publikum war an der Premiere von seiner Leistung begeistert und durfte der Geburt eines neuen Sterns am Tenorhimmel beiwohnen. Bis 29. Mai 2007

Premiere: 22. April 2007

L`Italiana in Algeri
Dramma giocoso in zwei Akten
Musik: Gioacchino Rossini
Libretto : Angelo Anelli
Uraufführung: 22. Mai 1813 in Venedig
Aufführungen in Zürich vom 22.4.07 – 29.5.07

Kritik: (SK) Schnell und leichtfüssig pflegte Rossini zu komponieren. Doch die Leichtfüssigkeit fällt den Protagonisten dieser Neuinszenierung schwer. Ständig drückt der Schuh (ein „running gag“ dieser Inszenierung), sie fühlen sich sichtlich unwohl in ihrer Rolle und in ihrer Verkleidung in Mustafas Varieté am Strand. Dies gilt für den Sklaven Lindoro, der hier einen Schuhputzer darstellt, für die im Kreuzfahrtschiff angereiste italienische Diva Isabella und die von Mustafa verstossene Ehefrau Elvira, die bei ihrer erzwungenen Abreise gleich einige Koffer voller Schuhe mitschleppt, wie seinerzeit Imelda Marcos. Doch trotz schmerzenden Füssen entwickelt sich in der von Luigi Perego entworfenen Art déco Bar ein temporeiches, witziges Spiel. Schade nur, dass die Drehbühne immer wieder störend laut knarrt. Dies kann wohl kaum Absicht gewesen sein…
Regisseur Cesare Lievi setzt auf den altbewährten Kniff des Theaters auf dem Theater und das Konzept geht weitgehend auf. Das Thema – die Konfrontation westlicher Kultur mit dem Islam, das Machogehabe Mustafas, Halys und Taddeos – würde zwar Spielflächen für tiefsinnige Interpretationen bieten, doch Lievi geht diesen Verlockungen zu Recht aus dem Weg, da weder Rossini noch sein Librettist diese Tiefgründigkeit ins Werk einfliessen liessen. Dafür waren die beiden noch zu stark der alten Commedia dell`arte verhaftet, deren Figurinen in der Entourage von Isabella in den herrlich grellen Kostümen von Marina Luxardo auch auftauchen. Lievi setzt die turbulente Handlung temporeich und zum Gaudi des Publikums in Szene, lässt sehr akkurat zur Musik agieren. Witzige Einfälle sind zuhauf zu erleben, vom vorbeischwimmenden Hai bei der Ankunft des Kreuzfahrtschiffs bis zu Mustafas Schaumbad in der Luxuswanne, vom Putzen der Schuhe seines Schuhputzers durch Mustafa (um ihn zur Heirat mit seiner Gattin zu überreden) bis zu den Kastrationsängsten Taddeos, als er von Haly gefangen genommen wird.
Die zum Teil grotesken Kostüme von Frau Luxardo, ganz in den Farben Italiens gehalten – grün, weiss, rot – dazu das azur der italienischen Gefangenen, fügen sich prächtig ins Konzept dieser Inszenierung ein. Köstlich, wie sich Isabella zur Arie „Pensa alla patria“ aus ihrem azurblauen Umhang in die Farben der italienischen Flagge enthüllt!
Kaum ins Opernstudio eingetreten, wurde der mexikanische Tenor Javier Camarena mit der anspruchsvollen Rolle des Lindoro betraut. Das Publikum war von seiner Leistung begeistert und glaubte wohl, der Geburt eines neuen Sterns am Tenorhimmel beizuwohnen. Und tatsächlich: Er verfügt über eine wunderbar biegsames Organ von schönster Strahlkraft und grosser Differenzierungsfähigkeit. Wahrlich ein Versprechen für die Zukunft. Bleibt nur zu hoffen, dass diese prächtige Pflanze sorgsam gehegt und gepflegt wird und im gnadenlosen Musikbusiness nicht vorzeitig welkt!
Die Titelrolle war dem grossen Mezzostar Vesselina Kasarova anvertraut worden. Leider flüchtete sie sich im ersten Akt oft in unnötige Manierismen (ritardandi, Stimme eindunkeln, abrupte piani), so dass ihre zweifellos grossartigen vokalen Möglichkeiten etwas allzu Gekünsteltes erhielten. Bravourös hingegen dann ihre schwierige Koloraturarie „Pensa alla patria“, die sie mit einem fulminanten Schlusston beendete. Mustafa hätte eigentlich an der Premiere von Ruggiero Raimondi gesungen werden sollen, er hatte jedoch andere Verpflichtungen, und so sprang die Zweitbesetzung, Carlo Lepore ein. Nach etwas rauem Beginn gewann seine Stimme im Laufe des Abends zusehends an Geschmeidigkeit und er überzeugte auch durch ein augenzwinkerndes Spiel.
Taddeo war bei Carlos Chausson bestens aufgehoben, ein Bassbuffo par excellence.
Rossinis komische Opern leben von bestens eingespielten Ensembles. Die meisten davon gelangen sehr spritzig (Pappataci Terzett, Niesquartett); allerdings könnte man sich das geniale Aktfinale des ersten Aktes, wo sich die Worte gleichsam atomisieren und von den sieben Sängern nur noch Silbenfetzen zu vernehmen sind, noch eindringlicher und zwingender vorstellen. Christiane Kohl als Elvira fehlte leider die Strahlkraft, um mit ihren hohen Cs diesem Bravourstück die notwendige Würze zu verleihen.
Ein grosses Lob verdient das Orchester der Oper Zürich (insbesondere die Holzbläser), die das Sängerensemble einfühlsam stützten und begleiteten. Paolo Carignani am Pult beeindruckte durch klug dosierte Rossinische Crescendi und überraschende Akzente im Vorspiel, die beinahe verborgene Orientalismen in der Musik wunderbar hörbar machten.

Fazit: Ein unterhaltsamer Spass für die ganze Familie. Entdeckung einer Tenorhoffnung.

Synopsis: Der Bey von Algier, Mustafa, ist seiner Gemahlin Elvira überdrüssig geworden und will sie mit seinem italienischen Sklaven Lindoro verheiraten. Der Pirat Haly soll ihm eine feurige Italienerin beschaffen. So kommt Isabella, die übrigens die Geliebte Lindoros ist, zusammen mit ihrem hartnäckigen Verehrer Taddeo in den Palast Mustafas. Isabella durchschaut die Situation am Hofe des Beys sehr schnell und beginnt ihr intrigantes Spiel. Es entsteht ein Wirrwarr, in dem niemand mehr weiss, wer zu wem gehört und wer was will.
Isabella und Lindoro planen ihre Flucht. Isabella bezirzt Mustafa, der ihr natürlich auf den Leim geht. Sie verleiht ihm einen Trottel-Orden (Pappataci, pappare-tacere = schlemmen und schweigen), der ihm diese Tätigkeiten auferlegt. Während Mustafa diese „Tugenden“ fleissig übt, gelingt dem Liebespaar die Flucht. Der Überlistete kehrt reumütig zu seiner Gattin Elvira zurück.

Musikalische Höhepunkte: Unübertroffen das Finale des 1.Aktes, fulminante Lautmalerei, gespickt mit den hohen Cs von Elvira. – Isabellas Kavatine „Per lui que adoro“ im 2. Akt – Das groteske Pappataci-Terzett im 2. Akt – Isabellas Arie „Pensa alla patria“ im 2. Akt – Die Kavatinen Lindoros „Languir per una bella” und „Oh, come il cor“

Les Troyens in Stuttgart



Grandiose Aufführung von Berlioz Monumentaloper in Stuttgart!

Premiere: 26.Oktober 2007

Grosse Oper in fünf Akten
Musik von Hector Berlioz
Text nach Vergil vom Komponisten
Aufführungen: 31.10. | 04.11. | 18.11. | 25.11. In Stuttgart

Kritik: (SK)
Der neue GMD der Stuttgarter Oper, Manfred Honeck, gab mit der Aufführung von Berlioz` Monumentalwerk einen umjubelten und überzeugenden Einstand. Joachim Schlömer und Jens Kilian lieferten die eindrücklichen Bilder dazu.
Der erste Teil, der Untergang Trojas, spielt vor einer knallgelben Höhle, in welcher die Trojaner die zehnjährige Belagerung ihrer Stadt durch die Griechen überlebt haben. Das Volk (in giftgrünen Overalls) feiert den vermeintlichen Sieg mit archaischen Riten. Nur die weiss gekleidete Cassandra (bewegend dargestellt und gesungen von Barbara Schneider-Hofstetter) warnt vergeblich vor Trojas Untergang. Das Trojanische Pferd ist hier ein mit Sprengkörpern bestücktes Motorrad, das unter grossem Jubel des Volkes in die Stadt gebracht wird. Der kollektive Selbstmord der trojanischen Frauen, die den griechischen Vergewaltigern so entgehen, beschliesst den bedrückenden ersten Teil der Oper.
Im zweiten Teil befinden wir uns in der aufgeklärten und modernen Gesellschaft der Königin Didon in Karthago. Christiane Iven verleiht dieser tragisch liebenden Frau mit voll klingendem Sopran Profil. Ihre lebenslustige Schwester Anna (umwerfend Ceri Williams) versucht sie mit Riesenjoint, Dildo und neuen Schuhen zu trösten – doch erst Aeneas schafft es, das Herz der um ihren Gatten trauernden Königin zu gewinnen, um sie schon bald wieder zu verlassen, da er dem Ruf der Götter folgt und nach Italien aufbricht. Didon besteigt im überwältigenden Schlussbild den aus weissen Monoblock-Gartenstühlen errichteten Scheiterhaufen. Schlömer, der ehemalige Ballettchef aus Basel, lässt im über fünf Stunden dauernden Abend nie Langeweile aufkommen. Am überzeugendsten gelingen ihm natürlich die Choreographien. Keine Spur von Verlegenheitslösungen, sondern packendes Tanztheater. Seien es der bewegende Auftritt der trauernden Andromache oder die rasante Chasse royale, in der die schwarzen Eindringlinge durch den gläsernen Palast Karthagos gejagt werden.

Fazit: Die Reise nach Stuttagart sollte man nicht scheuen. Grandios und spannend umgesetzt, hervorragend gesungen. Gewaltige Musik!

Die Frau ohne Schatten in Karlsruhe


Ekstatische Musik in starken Bildern!

Premiere: 27. Oktober 2007

Oper in drei Akten
Musik: Richard Strauss
Text: Hugo von Hofmannsthal
Uraufführung: 10. Oktober 1919 in Wien
Aufführungen in Karlsruhe: Donnerstag, 01.11, 18:00 Uhr | Sonntag, 11.11, 15:00 Uhr| Samstag, 22.12, 18:00 Uhr| Operngala: Samstag, 28.06, 19:00 Uhr

Kritik: (SK) Für eine kleinere oder mittlere Bühne stellt eine Aufführung der FRAU OHNE SCHATTEN immer eine grosse Herausforderung dar. Einerseits erfordert die Oper einen riesigen Orchesterapparat, drei- bis vierfach besetzte Bläser, je 16 erste und zweite Violinen, Celesta, Glasharfe, chinesische Gongs etc., nebst einer Bühnenmusik. Andererseits benötigt man fünf erstklassige Sängerinnen und Sänger für die enorm schwierigen Hauptpartien. Dass sich immer wieder kleinere Bühnen dieser Herausforderung stellen, ist höchst erfreulich. Es sei nur an die legendäre Aufführung 1986 in Bielefeld erinnert (John Dew), an Basel 1995 (Hans-Peter Lehmann) oder an Mannheim 2007 (Gregor Horres). Am Samstag war nun also Karlsruhe an der Reihe. Der begeisterte Schlussapplaus des Premierenpublikums sagt eigentlich schon fast alles: Ein beeindruckender Abend. An erster Stelle darf man den GMD Anthony Bramall nennen, der die Badische Staatskapelle sicher und konzentriert führte. Er war stets um einen transparenten, luziden Klang bemüht, liess die kammermusikalischen Passagen wunderbar intensiv ausspielen und deckte die Sängerinnen und Sänger nie mit breiigen Orchesterfluten zu. So blieben diese immer textverständlich, was sehr wichtig war, da der Regisseur Robert Tannenbaum nicht auf Action setzte, sondern in ruhigen, ganz intensiv ausgeleuchteten Bildern dieses Kunstmärchen geradlinig erzählte. Man darf dem Regisseur dankbar sein, dass er auf aufgesetzte Mätzchen und einen pseudo-intellektuellen Überbau verzichtete. Die phantasievollen Kostüme (nur das erste der Kaiserin war etwas gar verspielt) von Ute Frühling trugen viel dazu bei, die orientalischen Wurzeln der Geschichte aufzudecken. Der weit gehende Verzicht auf Requisiten (nur die grandiose Idee mit den beiden Stühlen!) hätte vielleicht eine noch etwas spannendere Personenführung erfordert. Doch entschädigten der kluge Einsatz von Schattenspielen und das farbige Licht für fehlende Interaktionen zwischen den Protagonisten.
Von diesen erhielt Marcus Jupither als Barak zu Recht am meisten Applaus. Sein warm und sicher strömender Bariton – mit dem Volumen eines Basses – begeisterte. Seine Frau war, wie schon in Mannheim, Caroline Whisnant. Mit intensivem Spiel und voller, wo nötig auch keifender Sopranstimme, stattete sie die Partie der Färberin aus. Ihr lang gehaltener Spitzenton bei “Oh Welt in der Welt…” hätte Szenenapplaus verdient, wenn das denn bei einer durchkomponierten Oper erlaubt wäre…
Das hohe Paar, Kaiser und Kaiserin, wurde von Lance Ryan und Kirsten Blanck souverän gesungen. Kirsten Blanck steigerte sich in ihrer grossen Szene im 3. Akt zu ergreifendem Gesang. Lance Ryan war ein höhensicherer Kaiser.
Bleibt noch die am schwierigsten zu singende und zu besetzende Gewaltspartie der Amme. Wilja Ernst-Mosuraitis verfügt über die notwendige Höhe UND die Tiefe für diese dämonische Rolle. Sie konnte immer voll auf der Gesangslinie bleiben und musste sich nie in Sprechgesang retten, wie viele ihrer prominenteren Kolleginnen. Zudem vefügte sie über eine perfekte Diktion. Eine phänomenale Leistung!
Dem gesamten Team des Badischen Staatstheaters ein grosses Kompliment zu dieser begeisternden Aufführung!

Fazit: Für viele Opernfreunde ist dies die stärkste und intensivste Strauss/Hofmannsthal Oper. Die Aufführung in Karlsruhe vermag zu begeistern!

Cassandra / Elektra in Berlin



Eine lohnende Ausgrabung und ein Meisterwerk an einem Abend!

Premiere: 3. November 2007

CASSANDRA:
Tragödie in einem Akt
Musik: Vittorio Gnecchi
Libretto: Luigi Illica und Vittorio Gnecchi
Uraufführung: 5. Dezember 1905 in Bologna

ELEKTRA:
Tragödie in einem Aufzug
Musik: Richard Strauss
Text: Hugo von Hofmannsthal
Uraufführung: 25. Januar 1909 in Dresden

Vorstellungen in Berlin:
Beide Werke zusammen: 8. und 16. November 2007, 19. Januar 2008
ELEKTRA alleine: 1. und 14. Dezember 2007 und 8. Februar 2008

Kritik: (SK) Nach einigen umstrittenen Premieren in der letzten Spielzeit durfte die Deutsche Oper Berlin mit der Premiere von CASSANDRA / ELEKTRA endlich wieder für positive Schlagzeilen sorgen. Intendantin und Regisseurin Kirsten Harms ist es erstens zu verdanken, dass Vittorio Gnecchis meisterhafte Oper CASSANDRA der Vergessenheit entrissen wurde. Sie trägt viel zum Verständnis der ELEKTRA bei, erzählt sie doch quasi deren Vorgeschichte. Zweitens zeigte Frau Harms eine kluge, unaufdringliche und doch sehr emotionale Inszenierung der Atridensage. Bei CASSANDRA blieb wohl kaum ein Auge im Saal trocken, als die Musik sich so wunderbar aufschwang und Klein-Elektra ihren Vater Agamemnon (vortrefflich: Gustavo Porta) daran zu hindern suchte, mit ihrer Mutter in den Palast zu gehen, wo ihn das rächende Beil erwartete. Am Schluss sass das Kind im Korkgranulat-Morast, die Leiche ihres Vaters wurde aus dem Fenster in den Hof gekippt. Genau dort setzte nach der Pause ELEKTRA ein. Die nun erwachsene Frau liegt noch immer im Morast und ruft nach ihrem Vater.
Gnecchis Oper ist musikalisch ganz dem Stil des Verismo verhaftet, geht harmonisch weitaus weniger weit als Elektra, ja sie neigt auch zum Süsslichen – und doch ist sie wunderschön und sehr emotional.
Grosse Sängerinnen trugen zum triumphalen Erfolg des Abends bei: Susan Anthony (Klytämnestra)und Margozata Walewska (Cassandra)in CASSANDRA; Jeanne Michèle Charbonnet (Elektra, sauber gesungen, die Kräfte klug eingeteilt, doch ab und an wäre etwas mehr Volumen wünschbar gewesen), Manuela Uhl (Chrysothemis, die Entdeckung des Abends!) und Jane Henschel (Klytämnestra) in ELEKTRA. Dazu Reiner Goldberg als Orest (kurzfristig eingesprungen und sehr überzeugend) und Alfred Walker als stimmschöner Orest und auch als Il Prologo in CASSANDRA. Leopold Hager dirigierte mit kluger Disposition und sehr sängerfreundlich. Die begeisternden Chorszenen in CASSANDRA wurden eindrücklich gesungen vom Chor der Deutschen Oper Berlin.

Fazit: Wer die Gelegenheit dazu hat, sollte sich diesen spannenden Abend nicht entgehen lassen. Berlin ist schnell zu erreichen, die Karten im Vergleich zum Opernhaus Zürich sehr preiswert!

Musikalische Höhepunkte:
CASSANDRA: Der Prolog, die Arien der Klytämnestra, des Agamemnon und der Cassandra.
ELEKTRA: Szene Klytämnestra-Elektra “Ich habe keine guten Nächte”
Die Szenen der Chrysothemis

Il Trovatore in Zürich


Verdis TROVATORE erstarrt in Zürich im Nebel des Grauens...

Premiere: 2. Dezember 2007

Oper in vier Akten
Musik: Giuseppe Verdi
Libretto: Salvatore Cammarano
Uraufführung: 19. Januar 1853 in Rom
Aufführungen in Zürich vom 2. Dezember 2007 bis 6. Januar 2008

Kritik: (SK)
Das Opernhaus Zürich hat kein glückliches Händchen mit seinen Inszenierungen des TROVATORE – davon zeugte gestern Abend die vehemente Ablehnung, die der Aufführung durch das Premierenpublikum zuteil wurde. Einen solchen Buhsturm erlebte schon lange keine Premiere mehr. Nach der paramilitärisch angehauchten Version von Daniel Schmid (90er Jahre) und der verstaubten Inszenierung von Por´Alli (80er Jahre) nun wieder ein Flop. Man sehnt sich fast nach Enriquez´ abstrahierender Inszenierung aus den 70er Jahren an diesem Haus zurück…
Dabei klang das Konzept Giancarlo del Monacos eigentlich schlüssig: Das erste Bild liess er in grauer Vorzeit spielen, die folgenden Bilder dann in der Gegenwart. Die Bühne, die ihm Peter Sykora dafür gebaut hatte, blieb beinahe den ganzen Abend über leer, mit Ausnahme weniger Raumteiler: Mal eine Kanalisationsröhre, in welcher sich die Zigeuner versteckten, mal eine Strassenlaterne, ein eisernes Klostertor, Jalousien und eine schwarz geflieste Wand mit Fleischerhaken für das Schlussbild. Diese Leere der Bühne hätte umso mehr eine intensive Personenregie erfordert und gerade die vermisste man an diesem Abend schmerzlich. Hilfloses Gefuchtel mit Messern, statische Chorführung, Opernkonvention und unaufhörliche Trockeneisschwaden. Man fühlte sich in John Carpenters Horrorthriller „The Fog“ versetzt. Einzig die Kostüme waren überzeugend: Alle in Schwarz- und Grautönen, aus denen nur das knallrote Abendkleid Leonoras und die flammend roten Haare der Azucena heraus leuchteten.
Das Feuer, welches Verdi so unvergleichlich komponiert hatte, loderte auch nicht aus dem Orchestergraben. Adam Fischers Dirigat klang lust-, manchmal gar führungslos, so dass man glaubte, die Protagonisten gäben die Tempi vor, was zu wackligen Einsätzen und Koordinationsproblemen führte.
Caruso hat einmal gesagt, es sei ganz einfach, den TROVATORE zu besetzen, man müsse einfach die vier weltbesten Stimmen auf die Bühne bringen. Auf dem Papier las sich die Zürcher Neubesetzung nicht schlecht, doch die hohen Erwartungen wurden weit gehend enttäuscht. Cristina Gallardo-Domas begann mit flackerndem, unausgeglichenem Timbre, oft befürchtete man, ihre Stimme könnte wegbrechen. Sie fühlte sich gezwungen, übermässig zu forcieren, dadurch klang ihre Leonora über weite Strecken grell und hässlich. Keine leidenschaftlich liebende Frau. Ihre Kabaletta nach dem Miserere fiel leider Strichen zum Opfer. Nur in der Klosterszene und der Sterbeszene fand sie zu zarteren, reineren Klängen. Leo Nucci, bei allem Respekt vor seiner Lebensleistung, ist als Luna ebenfalls viel zu laut und zu eindimensional. Die baritonale Wärme fehlt ihm, der Lautstärkepegel reicht nur noch von forte zu fortissimo. Nach wie vor bewundernswert ist seine Atemtechnik. Ein überzeugender Darsteller war er in jugendlich feurigen Rollen eigentlich nie, auf der kahlen Bühne trat dieses Manko überdeutlich in Erscheinung. Blieben also von den Protagonisten noch Manrico und Azucena, um dem Abend wenigstens den stimmlichen Glanz zu verleihen, der die hohen Eintrittspreise rechtfertigen würde. Luciana D´Intino ist eine überrragende Zigeunerin, vom ersten Auftritt in der Kanalisation bis zu ihrem finalen „Sei vendicata, o madre“ im Folterkeller. Die enormen Ausdrucksmöglichkeiten, die dieser Ausnahmekünstlerin zur Verfügung stehen, vom zartesten Pianissimo der liebenden Mutter zum leidenschaftlichen Ausbruch der Rächerin, verdienen höchste Bewunderung. Auch Marcelo Álvarez bewältigt die schwierige Partie des Manrico grandios und souverän, die Stimme wird bruchlos geführt zum strahlenden hohen C in der Stretta (gekürzte Fassung). Die Szenen Azucena-Manrico wurden zu den Höhepunkten des ansonsten enttäuschenden Abends.
Auf der Negativseite findet sich leider auch Giuseppe Scorsins Ferrando, seine Stimme ist zu leicht und zu vibratoreich für diese Partie, das profunde, sonore Fundament ist nicht vorhanden. Kein Wunder, dass sich nach dem ersten Bild keine Hand zum Applaus rührte.
Auf eine rundum gelungene Verdi Aufführung muss man in Zürich weiterhin warten.

Fazit:
Leider ein enttäuschender Abend, über den man besser den Nebel (der auf der Bühne im Übermass vorhanden ist…)des Schweigens legt.
Nur die eindrückliche Luciana D´Intino und Verdis unvergängliche Melodien lohnen den Besuch!

Das Werk:
Düsteres Drama, voll feuriger Melodien. Verdi auf dem Höhepunkt seiner melodischen Einfälle und seiner eindrucksvollen musikalischen Charakterisierungskunst. Verdi spielte einmal mit dem Gedanken, die Oper AZUCENA zu nennen, auch in Erinnerung an seine im Kompositionsjahr verstorbenen Mutter.

Synopsis:
Immer wieder wird kolportiert, der Inhalt des TROUBADOURS sei nicht nacherzählbar. Doch eigentlich ist es ganz einfach, wenn man die Vorgeschichte kennt: Eine alte Zigeunerin wurde vom Vater des Grafen Luna auf dem Scheiterhaufen verbrannt. Aus Rache am Flammentod ihrer Mutter, raubt die Tochter (Azucena) ein Kind des Grafen und verbrennt es ebenfalls. Doch in ihrer Raserei hat sie ihren eigenen Sohn in die Flammen geworfen. 20 Jahre später verlieben sich Manrico (der vermeintliche Sohn von Azucena) und der junge Graf Luna in die selbe Frau (Leonora). Manrico und Azucena werden von Luna gefangen genommen. Um Manrico zu retten, willigt Leonora in die Heirat mit dem Grafen ein. Da sie ihn aber nicht liebt, vergiftet sie sich und stirbt in Manricos Armen. Luna sieht sich getäuscht und lässt Manrico hinrichten. Nun enthüllt Azucena die tragische Wahrheit: Es war dein Bruder! Du bist gerächt, oh Mutter!

Musikalische Höhepunkte:
“Tace la notte”, Arie der Leonora, 2. Bild
Zigeunerchor, 3. Bild
“Stride la vampa”, Arie der Azucena, 3. Bild
“Il balen del suo sorriso”, Arie des Luna, 4. Bild
“Di quella pira”, Szene des Manrico, 6. Bild, die gefürchtete Stretta…
“D´amor sull´ ali rosee”, Arie der Leonora, 7. Bild
“Madre, non dormi”, Finale, 8. Bild

La Juive in Zürich


ufwühlendes, ergreifendes Musiktheater; grosse Stimmen, grosse Oper!
Premiere: 22. Dezember 2007

La Juive
Oper in fünf Akten
Musik: Jacques Fromental Halévy
Libretto: Eugène Scribe
Uraufführung: 23. Februar 1835 in Paris
Aufführungen in Zürich vom 22. Dezember 2007 bis 20. Januar 2008

Werk:
Die Juli-Revolution im Jahre 1830 in Paris, die den endgültigen Sturz der Bourbonen und die erneute Machtergreifung des Bürgertums zur Folge hatte, blieb nicht ohne Auswirkungen auf Musik und Kunst. In ihrem Sog entstanden Werke, die sich kritisch mit der Rolle der katholischen Kirche im Staat und ihrem abstossenden Umgang mit Minderheiten auseinander setzten. Dazu gehören u.a. Meyerbeers „Hugenotten“ und Halévys „Jüdin“. Gustav Mahler zählte die einst so erfolgreiche Oper zu dem „Höchsten, was je geschaffen worden ist“.
LA JUIVE ist unbestreitbar ein Haupt- und Meisterwerk des 19. Jahrhunderts!

Kritik:
Dass Wagner und Mahler mit ihren Beurteilungen der Qualität der JÜDIN Recht hatten, beweist die Aufführung in Zürich aufs Eindrücklichste. Man kann dem Opernhaus Zürich nicht dankbar genug sein, dass es den Mut hatte, diese einst so erfolgreiche Grand Opéra nach über 80 Jahren wieder auf den Spielplan zu setzen. Dankbar für den Mut zur Grossen Oper, für den Mut zu grossen Stimmen und dankbar dafür, dass die Produktion David Pountney anvertraut wurde.
Nach dem aufwühlenden und intensiven Abend, weiss man gar nicht, wo und bei wem man mit dem Lob beginnen soll. Vielleicht bei der Titelfigur: Angeles Blancas singt und verkörpert eine phänomenale Rachel. Von ihrem ersten Ausruf Mon père, prenez garde an bis zu ihrem trotzigen Märtyrerinnentod C’est le ciel qui m’inspire durchläuft sie auf beeindruckende Art emotionale Wechselbäder, von der leidenschaftlich liebenden zur vehement anklagenden betrogenen Frau, von der fürsorglichen Tochter zur opferbereiten Märtyrerin. Ihre prachtvolle Stimme dringt direkt ins Herz des Zuhörers, ihr subtiles Spiel unterstreicht die Tragödie dieser jungen Frau. Hoffentlich wird sie bald für weitere grosse Aufgaben ans Opernhaus verpflichtet (Lucrezia Borgia?).
Dem amerikanischen Tenor Neil Shicoff, der ihren (Zieh-)vater Éléazar darstellt, ist es zu verdanken, dass LA JUIVE eine Renaissance erleben darf. Er hat die Partie bereits in Wien und Paris gesungen. Im Vorfeld war gemunkelt worden, dass die Rolle nun ein wenig spät in seiner langen Karriere komme. Diese Befürchtungen erwiesen sich als unsinnig. Persönlich habe ich ihn nie besser gehört als gestern Abend. Er schien über unendliche Kraftreserven zu verfügen, gestaltete den durch Diffamierungen und Ausgrenzung zum unversöhnlich fanatischen Rächer gewordenen Juden auf eindringliche Art und Weise. Nach seiner ergreifend gesungenen Arie Rachel, quand du Seigneur durfte er verdientermassen minutenlange Ovationen entgegennehmen. Schade nur, dass die anschliessende Cabaletta gestrichen wurde – gestern hätte er die stimmlichen Möglichkeiten dafür locker gehabt!
Seinen Gegenspieler, Kardinal Brogni, sang Alfred Muff. Auch er bot mit seinem sonoren, sauber geführten Bass eine zutiefst beeindruckende Charakterisierung dieses strengen Kirchenmannes, der am Ende doch gebrochen den Tod seiner eigenen Tochter miterleben muss.
Das fürstliche Paar war ebenfalls hochkarätig besetzt. Malin Hartelius begeisterte als Eudoxie mit glockenreinen Koloraturen, humorvollem Spiel, aber auch eindringlichen dramatischen Ausbrüchen. Zum Glück fielen ihre Arie und der Boléro (im Gegensatz zur Pariser Aufführung letzte Saison) nicht Strichen zum Opfer. Die Duette mit Rachel gerieten so zu weiteren Höhepunkten des an Höhepunkten so reichen Abends. Ihr Gemahl, Prinz Léopold, war bei Celso Albelo bestens aufgehoben. Trotz eines grippalen Infekts sang er die gefürchtete hohe Tessitura ausgesprochen sauber und mit leuchtenden Spitzentönen. Eine Glanzleistung, gerade auch im Vergleich zum Mitschnitt aus der Wiener Staatsoper.
Das Orchester der Oper Zürich unter Carlo Rizzi brachte die zum Glück beinahe strichlos aufgeführte, farbige Partitur herrlich zum Klingen. Die Balance zwischen Stimmen und Orchesterklang war vortrefflich ausgewogen, die Leistungen des Chors in den grossen Tableaux imposant.
Regisseur Pountney fürchtet sich nicht vor grosser Oper (und grosser Ausstattung!). Er verlegt die Handlung ins Second Empire, als die Affäre um den zu Unrecht des Landesverrats angeklagten Juden Alfred Dreyfus auf ihrem Höhepunkt war. Auf beängstigende und kluge Art und mit einer einfühlsamen Personenführung zeigt der Regisseur, wie der Antisemitismus, die Ausgrenzung Andersdenkender von den Inhabern der Macht auf den Mob übertragen und dieser aufgehetzt wird, wie selbst die Kinder (hier in den Ballettschulen) instrumentalisiert und indoktriniert werden. Ein Thema, das leider auch heute noch aktuell ist. Es ist nur ein kleiner Schritt von bösartigen Judenkarikaturen zu schwarzen Schafen…

Anmerkung:
Ein kleiner Teil des Premierenpublikums scheint keine Gefühle und keinen Anstand zu haben. Es war an Peinlichkeit und Ärger nicht zu überbieten, wie in die tragische, ergreifende Sterbeszene hineingeklatscht wurde.

Fazit:
Diese Produktion darf man sich nicht entgehen lassen. Grand Opéra auf allerhöchstem Niveau. Ein langer, intensiver Abend, der nie lange wirkt. Eine Bravourleistung aller Beteiligten!

Synopsis:
Die Handlung spielt im Mittelalter in Konstanz. Der jüdische Goldschmied Éléazar und seine Tochter Rachel werden vom christlichen Mob immer wieder bedrängt; von geistlichen und weltlichen Herrschern wegen Ketzerei und Rassenschande angeklagt und verurteilt. Der Kardinal bietet Éléazar an, Rachel zu retten, wenn er und seine Tochter zum Christentum konvertieren. Doch beide nehmen lieber den Märtyrertod in Kauf. Im Augenblick der Hinrichtung Rachels enthüllt Éléazar, dass diese in Wirklichkeit des Kardinals verloren geglaubte Tochter war. Während der Kardinal zusammenbricht, geht Éléazar triumphierend in den Tod.

Musikalische Höhepunkte:
Brognis Plädoyer Si la rigueur et la vengence, 1. Akt
Léopolds Serenade Loin de son amie, 1. Akt
Rachels Romanze Il va venir, 2. Akt
Boléro der Eudoxie Mon doux seigneur, 3. Akt
Duette Rachel – Eudoxie, 3. und 4. Akt
Éléazars Arie Rachel, quand du Seigneur, 4. Akt